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Die Abschaffung der Arten

Die Abschaffung der Arten

Titel: Die Abschaffung der Arten
Autoren: Dietmar Dath
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zu überreden er hierhergekommen war, beide Augen geschlossen hatte und über Feldflüsterverbindung erneut mit ihren Kommandeuren redete.
    Ob die Menschen noch Sprache hatten? Wir, die Gente, haben Sprache, also können neue Befehlsschlüssel ausgegeben werden, das zu wissen reicht mir. Ich will die Feinde nicht verstehen, nur besiegen. Tatsachen, nicht Vermutungen, entscheiden über alles, was passiert.
    Philomenas Frage war ein rhetorischer Schnörkel gewesen; mehr nicht.

    Der Wolf sah längs übern Platz hin zum schwarzen Isottatempel, wo junge Vestalinnen mit Habichtsköpfen in langen, rautig schattierten Gewändern aus Taubenfedern breite Treppen mit dem verdünnten Blut freiwilliger Opfer netzten.
    Es verdampfte sofort, so heiß war das schwarze Gestein.

    Hier also sind wir beisammen und entscheiden, was geschehen soll.
    Ein sauberer, allseitig einsehbarer, nur von Gästen oder Bevollmächtigten zu betretender Ort, bedeckt von feinen Karmesinstaubspuren, zwischen schwarzem Tempel und Pielapielpalast, mitten im Zentrum von Kapseits: Dmitri hätte sich, jetzt, da sein Auftrag erfüllt war, gern mit ein paar Historikern unterhalten, um den schlechten Geschmack im Mund loszuwerden, wegen der nötigen Maßnahmen. Er hätte die Gelehrten darüber befragen wollen, ob sie eine Verbesserung wahrnehmen konnten, gegenüber früher und ganz früher, ob es ein hoffnungsstiftendes Zeichen war, wie hier wichtige Entscheidungen unter freiem Himmel getroffen wurden, nicht mehr, wie während der Langeweile, in geschlossenen Kammern, in abgestandener oder mit Intrigendunst schlecht befeuchteter Luft, unter niedrigen Decken, an platten Tischen, auf ungemütlichen Stühlen, wo einer den andern in der Runde fürchtete.

    Die Langeweile: Allzuviel wußte er nicht darüber; aber genug, um zu verstehen: Die Einfalt jener Zeit, als die Menschen geherrscht hatten, war viel zu kompliziert gewesen, als daß sie irgendwer im nachhinein verstanden hätte. Das Wissen der Herrscher hatte keine Kraft gehabt, die Ordnung nichts festgehalten.
    Die Dachsin und ihr Militär, der Wolf und die andern wandernden Sendboten des Löwen, die Libelle und ihre gläserne Gens: Das waren Freie, nie Gegängelte. So sollte es bleiben, und deshalb mußte man die übriggebliebenen Langweiler daran hindern, ihre unbegreiflichen und abscheulichen Bräuche wiederzubeleben.
    Selbst die ärgsten Forumsnarren wußten, daß man den Menschen keine Konzessionen machen durfte; nicht ihren widerlichen Vorstellungen vom richtigen Eiweißgebrauch, ihrer plumpen Politik, ihren einfallslosen Wegen durch die Noosphäre: Der ganze Unrat durfte nicht noch einmal alle Kanäle verstopfen, auf denen die Schöpfung mit sich reden ließ.

    Cyrus Iemelian Adrian Vinicius Golden, der Löwe, in dessen Namen alles geworden war, was in den drei Städten Bestand hatte, wollte das neue Äon festigen, das er gegründet hatte, um es eines Tages seiner Tochter Lasara zu übergeben. Sie stand für die vielen, die nach der Auslöschung der Langeweile geboren worden waren und nicht mehr erlebt hatten, wie schlecht zuvor alles eingerichtet gewesen war. Als letzte Aufgabe bei der Errichtung des rundum Vernünftigen fiel den Jüngeren daher zu, was dessen Urheber nicht von sich verlangen wollte: das tätige Vergessen der Besiegten.

    Dmitri Stepanowitsch diente dem Löwen seit acht Jahren.
    Die Aedile der drei Städte fanden ihn eifrig, mutig, ausdauernd, mit der richtigen Wut auf alle Hindernisse, scharfen biochemischen Werkzeugen und durchaus gefährlichen Ideen begabt.
    Selbst Ryuneke Nirgendwo sollte sich, hieß es in vielen Foren, aus einem seiner zahllosen Verstecke lobend über Dmitri geäußert haben.
    »Folg deinen Vögeln jetzt zurück nach Landers, junger Wolf«, sagte die Dachsin und öffnete die Augen wieder, »es ist beschlossen. Wir zerbrechen die Hände, wir vollenden die Arbeit.«
    Dmitri nickte, wie er's im Osten gelernt hatte, und wandte sich grußlos ab.
    Verdeckte Pfade lockten ihn in Schwierigkeiten.
4. Eselei
    »Mal jaah auf! Mach jaahh mal auf!«
    Geschrei, zerknautschter Schimpf. Der Wolf ärgerte sich über die anhaltende Dummheit der Sonne und hörte dem Lärm nur mit einem Ohr zu.
    »Also jetzt mach jaaah halt auch mal auf!« wehklagte einer, der von sich meinte, er sei ein Esel.
    Auf vier nicht sicheren Beinen – er war bis vor kurzem auf zweien gegangen, dann war ihm das zu äffisch vorgekommen – stand er vor einem ausgebrannten Panzer auf der schmutzigsten Straße
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