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Die Abschaffung der Arten

Die Abschaffung der Arten

Titel: Die Abschaffung der Arten
Autoren: Dietmar Dath
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mit denen diese ziemlich ungeschützten ...«
    »Ihre Hände wären mir lieber.« Das war der erste laut gesprochene Einwand der Libelle Philomena.
    Die saß auf Dimitris Rücken und roch, fand der Wolf, wie ein leicht kartoffeliger Tatzenabdruck des Löwen, der sie geschickt hatte. »Man muß die Hände angreifen. Die trägen Hirne sind ... nicht von Belang.«
    Dmitri Stepanowitsch überlegte kurz, blinzelte, bis seine Barthaare bebten, dann gab er ihr recht: »Stimmt wohl. Die Archive in den Kathedralen ... man hat schon Menschen gefilmt und gemalt, die ganz ohne Hirne trotzdem so glücklich und grausam waren, daß ... na ja, zum Davonlaufen.«
    »Davonschwirren«, träumte Philomena schaukelnd. Sie nahm nichts ernst; der Wolf fand sie seit langem unheimlich.

    Mehrere Espritgäste, die seit Wochen in Erwartung der Ausschweifungen bei der für die nächste Neumondnacht angesetzten Einweihung des Pielapielpalasts vor dem Gebäude kampierten, rochen an den Botschaften, die Dachsin und Wolf einander sandten, ringelten ihre Meinungen um rote Blutzellen und funkten den Bevollmächtigten des Löwen damit ins Gespräch. Der Preis der Souveränität: Die Gente kannten keine Geheimdiplomatie.
    Schon das Siegel der neuen Forumsschlaufe war frech: »Abgedankte Alphatiere.«
    »Wir hätten«, kritzelten die Espritgäste den Löwenbevollmächtigten auf die Pherinfonkörper, »im Klima der Urheimat verbleiben sollen. Da gab's den offenen Kampf, nicht diese Heimtücke hier, mit Kügelchen und Giften«, »und überall der optimale Phänotyp, statt Seuchen und Verheerung fremder Hirne oder Hände«, »damals war alles besser«, »auch die Musik«, »von der Ernährung ganz zu schweigen.«

    Die Hinterköpfe dieser schmuddeligen Demokraten, matt speckig, waren mit dem je ersten Rückgratswirbel ihres archaischen Bauplans durch zwei mit geruchsverstärkendem Gel glasierte Gelenkstellen verbunden.
    Daran erkannte der Dümmste, was das für Wesen waren: daß diese Strolche, so aus der Mode dergleichen sonst bei Gente war, Milchdrüsen zum Säugen ihrer Jungen besaßen und über diese Gemeinsamkeit hinsichtlich der Nachkommensversorgung zu übertriebenem Mitleid mit der Menschenart neigten.
    Die Dachsin lachte sie aus: »Abgedankte Alphatiere ... pfäh. Das soll ich lesen, damit soll ich streiten? Wie wär's, ihr würdet eine Eingabe an den Löwen machen, für ein öffentliches Schutzgebiet, wenigstens einen Zoo? Den müßt ihr dann allerdings selber hegen, damit er uns nicht zur Last fällt, wenn ihr die Menschen so liebhabt.«
    Darauf schwiegen die Forenschwätzer, um sich nicht in ärgeren Verdacht zu bringen. Demokratie gut und schön, offener Antileonismus aber wurde sehr scharf sanktioniert. Man sah sich in dieser Angelegenheit vor, wem man was erzählte, schließlich hatten die Dachse in der Schlafstadt die Polizeigewalt inne, wie in den andern beiden Städten.

    »Ich warte auf dein Wort«, sagte der Wolf.
    »Gut denn. Aber nicht die Hirne, sondern die Hände«, gab Georgescu auf halbem Weg nach; die Libelle hatte die Kompromißformel gefunden.
    Dmitri Stepanowitsch zeigte Zunge, das kurze Hecheln war eine Art Respektsbekundung. In seinen Augen erkannte die Dachsin, was er dachte: Die Arbeit war getan, jetzt hieß es Pflanzenkost und Licht für die Libelle auf seinem Rücken besorgen, Fleischkost für ihn.
    Georgescu hatte schon während seiner gerafften Präsentation eine Nachfrage an den militärischen Forschungsstab in der Schlafstadt gerichtet; jetzt rief sie das Ergebnis ab und unterrichtete davon den Wolf: »Meine Techniker meinen, wir müssen den Perlen ... ah ... den ... Kügelchen, sagst du, bevor sie, na: kampffähige Käfer werden, unbedingt ... Drüsen schenken, aus denen sie die Agenzien sprühen können, um ... wie heißt es? Unten an den Händen?«
    »Handballen.«
    »Um die Handballen der Aufständischen zu zerstören.«
    »Ob diese paar letzten Menschen überhaupt noch Sprache haben, so wie wir?« fragte sich Philomena laut.
    Niemand auf dem Platz vor dem Pielapielpalast, auch kein Forenwegelagerer, hätte mit ihr darüber streiten wollen. Sie war die einzige unter den unmittelbaren Helfern des Herrschers, deren Haut keine Kerbung aufwies, aber ihr Status war auch so bekannt: Sie fand Gehör beim Löwen; sie war auf allen wichtigen Beratungen der letzten hundert Jahre zugegen gewesen, in Landers, Kapseits und Borbruck.

    Dmitri Stepanowitschs Blick schweifte ab, weil die Dachsin, die zum Attentat auf die Quellen
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