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Die Abschaffung der Arten

Die Abschaffung der Arten

Titel: Die Abschaffung der Arten
Autoren: Dietmar Dath
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Namen man allmählich nicht mehr nennen durfte. Sie hatten dem Fuchs und dem Löwen Ärger gemacht, jetzt wurde so getan, als habe es sie nie gegeben.
    »Wo steckt der Fuchs?«
    Die Abgesetzten hatten geschaffen, was die Gente heute bewohnten, die Epoche der drei Städte. Jetzt legten die Beseitigten auf den alten Bildern, wie im Totenschlaf, Arme oder Flügel umeinander.

    Den aufmerksameren Gente wurde eben deutlich, daß die fuchsigen Langzeitkalküle aufgegangen waren. Das freute zumindest die Äffinnen im Hofstaat des Affen Stanz. Die fraßen Geschichte mit Lust und naschten immer gern am Statischen, auch am Dynamischen: Konfekt in den Geschmacksrichtungen »Erzeugung«, »Verteilung«, »Reichtum« und »Mangel«. Der Affe Stanz machte aus allen vieren Kunst. Damit schmückte man das Fest. Esprit hieß ja seit je: Kostümumzüge, Bacchanale, süßer Lärm, Verwandlungen.

    »Wir Dachse mögen«, sprach die grüne Dachsin Georgescu, die im roten Sand vor dem Pielapielpalast der Schlafstadt saß, »zwar die Gewalt nicht. Aber wenn sie kommt, sind wir bereit.«
    Man hatte den Palast noch nicht geweiht; sonst wären Gente, die so roh redeten wie Georgescu, wohl vom Vorplatz verscheucht worden. Die Dachsin, ein rein praktischer Kopf, dachte dabei an strategische, taktische und operative Aussichten auf einen erneuten Nachhutstreit mit homo sapiens sapiens .
    Vertraute hatten ihr eröffnet, daß der Widerstand der Abgetanen bald wieder aufflammen werde. Die Nachricht war keine Überraschung gewesen; Georgescu traute grundsätzlich den Gefälligkeitsberichten nicht, die eine Welt malten, in der jeder Menschenwiderstand gebrochen war. Die Dachsin kannte alle Schmutzecken, Mantelfalten und Verschlußsachen der Schlachtfelder. Wenn es nach ihr gegangen wäre, hätte man die Tiefenreinigung der Ökotektur mit heißem Metall erledigt, den Rest in Sporenschauern fortgewaschen und Asche darüber verstreut.

    Es gab sie immer noch, vielleicht auf lange Zeit: spreizfüßige Leute, stotternde Lotophagen mit Adapterbuchsen in den Hypothalami, arme Arschlöcher aus zersprengten Verbänden der letzten abendländischen Lage. Die Dachsin verwahrte ihre Ansichten dazu dicht unterm Herzen; ein goldenes Zeitalter ohne diese Plage, fand sie, stand nicht zu erwarten. Was sich so lange wider alle Vernunft gehalten hatte, würde der Ausrottung auch weiter widerstehen. Georgescu fragte sich manchmal, ob das nicht auch sein Gutes hatte: Der älteste Gott von allen würde, wie die Sache lief, irgendwann einmal wohl auch wieder Vater werden, genug Zeit vorausgesetzt, und bislang stand nicht fest, daß er mit den Abgetanen nicht noch etwas vorhatte.
    Georgescu sah die Gente als Hebammenzivilisation, keineswegs als Endziel aller irdischen Entwicklung.

    »Wir könnten«, sagte, weil er die Dachsin leicht durchschaute, der junge Wolf und Diplomat Dmitri Stepanowitsch, »Kügelchen streuen, an den Quellen.«
    »Kügelchen?«
    »Ja, Kügelchen. Besonderes Gift, da, wo sie ihr Wasser herholen.«
    In diesen Perlen, erläuterte der Wolf der Generalin in wortlosem Pherinfoncode, ließen sich Schatten von Streßfaktoren unterbringen, die gestandenen Männern, also den Waffenträgern in den gelichteten Reihen, das Immunsystem zerfressen konnten.
    »Zum Beispiel?« Georgescu sah nicht überzeugt aus.
    »Tod des Ehepartners, Verletzung oder Krankheit, Verlust des ähm, wie heißt es ... Arbeitsplatzes. Schulden, Termindruck, Versagensängste, Familienstreit, Ärger mit dem Chef oder dem ... Internetprovider ... und öh ... die Schmach, die Unwert knickeknack Verdienst bereitet«, schlug Dmitri vor.
    »Knickeknack?«
    »Ich hab's aus der Literatur. Das Adjektiv ist vielleicht korrumpiert, jedenfalls unübersetzbar; es hat etwas mit ihrem Ehrenkodex zu tun.«
    »Na schön. Und solche, wie sagst du ... Streßfaktoren ...«
    »Die verplomben wir in vivanten Cytokinmantelkügelchen, ganz simpel. Wir hauchen unsern Arzneien falsches Leben ein, setzen sie in die Quellen, und wenn sie zehn, zwanzig Generationen später fliegen lernen, wenn sie krabbeln ...«
    »Wenn sie krabbeln, wohin sie sollen, und nicht uns ins Fell!« maulte die grüne Dachsin. Sie hatte zu vieles erlebt, um den Enthusiasmus des Wolfes zu teilen.
    »Wenn sie, sag ich«, fuhr Dmitri fort, jetzt mit stachlig gesträubtem Kragen, »fliegen und krabbeln gelernt haben, nach einer angemessenen Anzahl Reproduktionszyklen, dann finden sie die Menschenohren schnell, durch die sie an die Hirne gelangen,
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