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Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Titel: Die Abenteuer von Aguila und Jaguar
Autoren: Isabel Allende
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benimmst du dich aber wie eins«, sagte John Cold und deutete auf die verbundene Hand.
    »Das war ein Unfall, das kann jedem mal passieren. Ich mache keine Dummheiten bei Oma Carla, versprochen.«
    »Ich weiß ja, eigentlich willst du keine Dummheiten machen, aber manchmal verlierst du eben den Kopf.«
    »Ich ersetze doch alles! Hörst du mir überhaupt zu?!« Alex trat gegen das Tischbein.
    »Das meine ich eben, du hast dich nicht im Griff. Trotzdem, Alexander, das hier hat nichts damit zu tun, dass du dein Zimmer demoliert hast. Es war schon vorher mit meiner Schwiegermutter und mit meiner Mutter abgesprochen. Ihr drei müsst zu den Großmüttern, da führt kein Weg daran vorbei. Du fliegst in ein paar Tagen nach New York.«
    »Allein?«
    »Allein. Ich fürchte, von nun an wirst du vieles allein machen müssen. Nimm deinen Pass mit, ich glaube, meine Mutter will eine Abenteuerreise mit dir unternehmen.«
    »Wohin?«
    »Zum Amazonas.«
    »Zum Amazonas!« Alex konnte es nicht fassen. »Über denAmazonas habe ich mal einen Dokumentarfilm gesehen, dort wimmelt es nur so von Moskitos, Kaimanen und Banditen. Und jede Menge Krankheiten gibt es da, sogar Lepra!«
    »Meine Mutter weiß ja wohl, was sie tut, sie würde dein Leben doch nicht in Gefahr bringen, Alexander.«
    »Von wegen! Kate ist imstande und schubst mich in einen Fluss, der völlig mit Piranhas verseucht ist, Papa. Wer so eine Oma hat wie ich, der braucht keine Feinde.« Seine Stimme überschlug sich.
    »Tut mir leid, aber du gehst trotzdem zu ihr, mein Junge.«
    »Und die Schule? Wir müssen grade einen Haufen Klassenarbeiten schreiben. Außerdem kann ich nicht von heute auf morgen das Orchester sausen lassen …«
    »Man muss flexibel sein, Alexander. Unsere Familie macht eine Krise durch. Weißt du, mit welchen Schriftzeichen die Chinesen ihr Wort für Krise schreiben? Mit den Zeichen für Gefahr und Möglichkeit. Vielleicht eröffnet dir die Gefahr, die in Lisas Krankheit liegt, eine außergewöhnliche Möglichkeit. Geh deine Sachen packen.«
    »Was soll ich da groß packen? Ist ja kaum noch was übrig …«, sagte Alex, noch immer sauer auf seinen Vater.
    »Dann hast du nicht so viel zu schleppen. Jetzt geh und gib deiner Mutter einen Kuss, sie ist ziemlich mitgenommen von dem, was passiert ist. Für Lisa ist es viel schwerer als für jeden von uns, Alexander. Wir müssen stark sein, so wie sie es ist.« Er klang traurig.
    Bis vor wenigen Monaten war Alex glücklich gewesen. Jedenfalls hatte es ihn nie sonderlich gereizt, seinen gewohnten Alltag umzukrempeln; er glaubte, solange er keine Dummheiten machte, würde alles gut für ihn laufen. So übertrieben waren seine Zukunftspläne auch nicht: Er wollte ein berühmter Musiker werden wie sein Großvater Joseph Cold; irgendwie musste er Cecilia Burns dazu bringen, dass sie ihn heiratete, dann würden sie zwei Kinder haben und in der Nähe der Berge wohnen. So weit war alles in Ordnung, in der Schule klappte es ganz gut, er war Schwimmer in der Schulmannschaft, wenn auch nicht der beste, er hatte Freunde und hielt sich aus ernsthaften Schwierigkeiten heraus. Erfand sich ziemlich normal, jedenfalls wenn er sich mit diesen von Natur aus monströsen Gestalten verglich, die anderswo herumliefen, wie diese Jungs, die mit Maschinenpistolen in eine Schule in Colorado eingedrungen waren und ihre Mitschüler massakriert hatten. So weit musste man gar nicht gehen, auch an seiner Schule gab es einige widerliche Typen. Nein, er war keiner von der Sorte. Eigentlich wünschte er sich nur, wieder so zu leben wie noch vor ein paar Monaten, als seine Mutter gesund gewesen war. Er wollte nicht mit Kate Cold zum Amazonas. Diese Großmutter war ihm nicht geheuer.
    Zwei Tage später verabschiedete sich Alex von dem Ort, an dem er die fünfzehn Jahre seines Lebens verbracht hatte. Ihn begleitete das Bild seiner Mutter, die mit einer blauen Wollmütze auf dem kahl rasierten Kopf in der Tür stand, ihm zum Abschied winkte und zulächelte, während Tränen über ihre Wangen liefen. Sie sah winzig aus, verletzlich und schön, trotz allem. Während er ins Flugzeug stieg, dachte er an sie. Was, wenn sie starb? Nein! Ich darf mir das nicht vorstellen, meine Mama wird wieder gesund, versuchte er sich auf der ganzen Reise einzureden.

ZWEITES KAPITEL
Eine Großmutter zum Fürchten
    Auf dem Flughafen von New York fand sich Alexander Cold inmitten einer gehetzten Menschenmenge wieder, die, Koffer und Reisetaschen hinter sich herziehend,
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