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Die Abenteuer Des Jonathan Gullible

Die Abenteuer Des Jonathan Gullible

Titel: Die Abenteuer Des Jonathan Gullible
Autoren: Ken Schoolland
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nicht, was du sagst.« Der Vogel
drehte seinen Kopf ein wenig und sagte in einem anklagenden
Tonfall: »Was hast du genau gemeint, als du gesagt hast, du hättest
ein Tal der Geier verlassen?«
    »Es - es - es tut mir leid. Ich habe das nicht so gemeint«,
entschuldigte sich Jonathan. »Es ist nur, daß alle diese Leute da
unten immer so grausam und brutal zueinander sind. Es ist nur eine
Redewendung. Sie - sie erinnerten mich an, na ja, an … «
    »Geier?« Der Vogel plusterte sein Gefieder unter seinem nackten
Hals auf. Jonathan nickte demütig. Der Geier brummte und schlug mit
seinen großen Flügeln, bevor er sich wieder auf seinem Ast
niederließ. »Dein Problem, lieber Freund, ist, daß du dich zu
leicht von Worten betrügen läßt. Du mußt Handlungen vertrauen,
nicht Worten.«
    »Ich verstehe nicht«, sagte Jonathan.
    »Du meinst, auf dieser Insel wohnen nur Geier. Ha! Wenn das wahr
wäre, wäre es eine viel schönere Insel als jetzt.« Der Vogel
krümmte seinen langen, häßlichen Nacken voller Stolz. »Es wäre
korrekter zu sagen, daß du zu einer Insel von vielen Geschöpfen
gekommen bist - wie Geier, Bettler, Hochstapler und Könige. Aber du
erkennst die wertvollen nicht, weil du von Titeln und Worten
geblendet wirst. Du bist auf den ältesten Trick hereingefallen und
betrachtest das Böse in hoher Wertschätzung.«
    Jonathan verteidigte sich: »Das ist kein Trick. Geier, Bettler
und so weiter sind leicht zu verstehen. Dort, wo ich herkomme,
fressen die Geier von den Knochen der Toten. Das ist ekelhaft!«
Jonathan rümpfte betont seine Nase. »Bettler sind einfach und
unschuldig. Hochstapler sind raffiniert und lustig - aber auf eine
Art schädlich.
    Und was Könige und Adel anbelangt«, fügte Jonathan schnell hinzu
und seine Augen glitzerten vor Begeisterung. »Na ja, ich habe
niemals wirklich welche getroffen, aber ich habe gelesen, daß sie
in wunderschönen Palästen wohnen und großartige Kleider tragen.
Jeder will so sein wie sie. Könige und ihre Minister regieren das
Land und schützen alle seine Bewohner. Da ist kein Trick
dabei.«
    »Kein Trick?« fragte der Geier. Jonathan starrte auf das
Runzeln, daß auf dem Gesicht des Geiers gefroren war. »Denk mal
über den Geier nach. Von den vier Geschöpfen ist er der einzige
wahre Adelige. Nur der Geier tut etwas wertvolles.«
    Der große schwarze Vogel streckte seinen Nacken wieder und sah
Jonathan an. »Immer wenn eine Maus hinter der Scheune stirbt, mache
ich sauber. Immer wenn ein Pferd auf dem Feld stirbt, mache ich
sauber. Immer wenn ein armer Mann im Wald stirbt, mache ich sauber.
Ich bekomme eine Mahlzeit und jeder gewinnt dabei. Niemals hat
jemand eine Waffe oder einen Käfig benutzt, damit ich meinen Job
mache. Bekomme ich einen Dank? Nein. Meine Dienste werden als
schmutzig und widerlich angesehen. Deshalb muß der ›häßliche‹ Geier
mit Spott und ohne Achtung leben.
    Dann haben wir die Bettler«, fuhr der Geier fort. »Sie
erschaffen nichts, sie tun niemandem etwas gutes, außer für sich
selbst. Aber sie schaden auch niemandem. Und sie passen natürlich
darauf auf, nicht in den Wäldern zu sterben. Man könnte sogar
sagen, daß sie ihren Wohltätern ein gutes Gefühl verschaffen.
Deshalb werden sie toleriert.
    Hochstapler sind die schlauesten und haben sich in Gedichten und
Legenden einen Ehrenplatz verdient. Sie leben von ihrer Falschheit
und betrügen andere unbeirrt mit den Worten, die sie ersinnen.
Hochstapler bieten keine nützlichen Dienste an, außer Mißtrauen und
Betrug zu lehren.«
    Der Geier atmete tief ein, indem er sich aufrichtete und seine
Flügel nach hinten warf. Ein leichter Aasgeruch durchzog die
Morgenluft. »Schließlich gibt es die Könige. Könige müssen nicht
betteln oder betrügen, obwohl sie oft beides tun. Wie Räuber
stehlen sie die Erzeugnisse der anderen durch die rohe Gewalt ihrer
Befehle. Sie produzieren nichts, aber sie kontrollieren alles.
    Und du, mein leichtgläubiger Reisender, verehrst diese
›Königswürde‹ und verachtest den Geier? Wenn du ein altes Denkmal
ansehen würdest«, bemerkte der Geier, »würdest du sagen, daß der
König großartig war, weil sein Name darauf steht. Und du würdest
nicht an alle die Skelette denken, die ich saubermachen mußte, als
das Denkmal gebaut wurde.«
    Jonathan sagte laut: »Du hast recht. In der Vergangenheit waren
einige der Könige Schurken. Aber heutzutage wählen die Bürger ihre
Anführer in einen Hohen Rat. Sie sind anders - ja, weil sie
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