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Die 39 Zeichen 04 - Der Schatz des Pharao

Titel: Die 39 Zeichen 04 - Der Schatz des Pharao
Autoren: Jude Watson
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räumte Nellie ein. »Wir haben in den paar Tagen so vieles gesehen. Tempel und Gräber und antike Städte. Wundervolle Sonnenuntergänge, wunderschöne Kunstwerke …«
    »Klar, aber du vergisst das Beste«, unterbrach sie Dan. »Krokodile, Pharaonenflüche, Gehirnhaken, Körperteile in Kanopen. Was könnte einem daran nicht gefallen?«
    »Mir hat gefallen, die alten Fotos von Grace zu sehen«, sagte Amy. »Erinnerst du dich an das alberne von ihr vor Hatschepsuts Tempel? Manchmal vergesse ich, wie lustig sie gewesen ist.«
    »Brezeln und Butter«, murmelte Dan. »Erinnerst du dich? Sie hat immer gesagt: ›Passt auf! Alles zählt‹!«
    Dan genoss die kleinen Dinge, genau wie Grace, dachte Amy. Sie erinnerte sich an den Tag, als sie zum ersten Mal in diese Suite gekommen waren. Wie er durch die Zimmer gestürmt war, den Namen jedes Gegenstands so fröhlich gerufen hatte, als hätte er ihn niemals zuvor gesehen. Kissen! Bibel! Bademantel! Shampoo!
    »Die Leute sagen, dass ich Grace ähnlich sehe«, sagte Amy. »Aber du bist genau wie sie.«
    Dan zuckte mit den Achseln und wandte sich wieder dem Computer zu. Amy sah, dass die Spitzen seiner Ohren rot glühten. Ein untrügliches Zeichen dafür, dass sie ihm eine Freude gemacht hatte. Sie hätte auch einfach Entschuldigung sagen können. Sie hätte sagen können: D u hattest recht. Ich wollte die Erinnerung an Grace ganz für mich alleine haben. Aber sie wusste, dass er sie auch so verstanden hatte.
    »Alles zählt«, murmelte Amy. Sie blickte auf das Motiv von Grace’ Karte, auf die Weisen, die dem Christkind Geschenke bringen, welches dicker und satter aussah als irgendein Neugeborenes, das Amy jemals gesehen hatte.
    Plötzlich purzelten Worte und Bilder in ihrem Kopf durcheinander.
    Weise. Hatschepsut. Punt.
    Sogar damals während des Neuen Reichs musste eine Königin ihre Weihnachtseinkäufe erledigen.
    Wie in Trance zog Amy die Nachttischschublade auf. Sie nahm die Bibel heraus, die Dan gefunden hatte. Sie blätterte rasch zum Matthäusevangelium, Kapitel zwei, Vers elf.
    »Dan?«, fragte sie mit leicht zitternder Stimme. »Schau mal unter Myrrhe nach. M-y-r-r-h-e«, buchstabierte sie und stellte sich hinter ihn. Auch Nellie eilte zu ihnen hinüber.
    Dan gab das Wort in die Suchmaske ein. Das Blatt erschien auf dem Bildschirm.

    »Das ist es!«, rief Dan. »Und jetzt erklär mir bitte, wie du das gemacht hast.«
    »Vergesst die Kunst nicht. Wir dachten, dass sie über ihr Gemälde redet. Dabei haben wir herausgefunden, dass Grace es gar nicht als Hinweis hinterlassen hat. Wir haben einfach nicht mehr daran gedacht, darüber nachzudenken, was sie wirklich gemeint haben könnte.« Amy hielt die Karte hoch. »Sie hat über die Karte selbst gesprochen.«
    »Ich kapier es immer noch nicht.«
    »Es hat alles mit Hatschepsut zu tun.«
    »Hatschepsut?« Nellie sah verwirrt aus. »Aber sie hat vor Tausenden von Jahren gelebt, bevor Weihnachten überhaupt erfunden wurde.«
    »Hatschepsut ist ins Land Punt gereist und kam mit Myrrhenbäumen zurück. Grace hat genau vor diesem Relief posiert. Und sie hat den Witz im Reiseführer gemacht, dass auch eine Königin Weihnachtseinkäufe erledigen muss. Sie hat uns hierher zurückgeführt.« Amy hielt wieder die Karte hoch. »Die Heiligen Drei Könige. Sie haben …«
    »… dem Christkind Geschenke gebracht«, beendete Nellie den Satz.
    Amy nahm die Bibel zur Hand. »Matthäus, Kapitel zwei, Vers elf. Mat 2:11 ist eine Notation! Hört zu.« Amy las den Vers laut vor: »›Und sie warfen sich nieder, huldigten ihm, taten ihre Schätze auf und brachten ihm Gaben dar, Gold und Weihrauch und Myrrhe.‹«
    Dan nickte. »Und Grace hat ›kommunizieren‹ falsch geschrieben. Dabei war ihre Rechtschreibung immer tadellos – das hätten wir wissen müssen. Wir haben jahrelang am Wochenende Scrabble mit ihr gespielt. Myrrhe gehört zur Gattung Commi phora! Ein halbes Gramm Myrrhe. Das ist der Hinweis!«
    Amys Augen leuchteten. »Und Grace ist auf dem ganzen Weg bei uns gewesen. Sie hat uns nicht im Stich gelassen, Dan. Sie wird uns immer helfen, wenn wir sie brauchen. Und das wird sein, wie immer. Es wird nicht dann sein, wenn wir es erwarten. Es wird sein, wenn wir es am wenigsten erwarten. Sie ist nicht fort. Sie ist noch immer bei uns.«
    Dan wandte sich von ihr ab. Doch Amy wusste, dass tat er nur, weil seine Augen feucht geworden waren. Auch ihre Augen standen voller Tränen. Sie fühlte sich, als läge Grace’ Hand auf ihrer
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