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Dhampir - Seelendieb

Dhampir - Seelendieb

Titel: Dhampir - Seelendieb
Autoren: Barb & J. C. Hendee
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ab.
    Die Ereignisse der kommenden Tage waren erfolgreich in die Wege geleitet.

1
    Es war der Ort, an dem er fast gestorben wäre. An jedem Tag kehrte er vor Tagesanbruch hierher zurück.
    Leesil stand schwitzend in der kalten Luft der Waldlichtung, umgeben von struppigen Tannen. Die Sonne war im Osten über die Baumwipfel gestiegen, und im Westen, weiter unten, glitzerte ihr Licht auf den Wellen des Meeres. Am Ufer der seichten Bucht lag Miiska, und der Sonnenschein erreichte nun die Dächer der kleinen Stadt.
    Das weißblonde Haar klebte an Leesils Hals, Schultern und dem schmalen Gesicht, und zwischen den Strähnen zeigten sich die spitz zulaufenden Ohren. Verblasste, aber immer noch sichtbare Narben reichten über den Hals und den rechten Unterkiefer. Das dünne, beigefarbene Baumwollhemd klebte am Rücken, und die Füße in den weichen Lederstiefeln fühlten sich schweißnass an. Er atmete schwer, schnitt eine verärgerte Grimasse, wischte sich Schweiß aus den Augen und schauderte kurz. Die Kühle des Spätherbstmorgens war Anlass genug für ihn, in Bewegung zu bleiben, damit ihm nicht kalt wurde.
    » Valhachkasej’â!«, murmelte er, obwohl er nicht genau wusste, was die Silben bedeuteten.
    Seine Mutte r – Vater hatte sie Nein’a genann t – hatte sie geflüstert, wenn sie sich ärgerte oder beim Schärfen eines Messers in den Finger schnitt. Dann verzog sie das schmale, dreieckige Gesicht mit der karamellfarbenen Haut, und ihre weißblonden Brauen neigten sich einander entgegen, während sie unbewusst zu ihrer Muttersprache zurückkehrte, dem Elfischen.
    Sie hatte sich geweigert, Leesil ihre Muttersprache zu lehren, und wenn er sie darum bat, kniff sie die großen, schrägen Augen zusammen. Gelegentlich rutschte ihr ein Wort heraus, und dann hörte er aufmerksam zu, wiederholte es leise und versuchte, seine Bedeutung zu erraten. Leesil hatte genug Kraftausdrücke in verschiedenen Sprachen gehört, um zu ahnen, was dieses besondere Wort bedeutete, und aus der fixen Idee seiner Kindheit war eine unbewusste Angewohnheit geworden. Einige Male hatte seine Mutter den Namen ihres Sohns mit einer besonderen Betonung ausgesproche n – Léshi l – und ihn des Öfteren » Anmaglâhk « genannt, ohne jemals zu erklären, was es damit auf sich hatte.
    Leesil schüttelte die Erinnerungen ab und setzte die Übungen fort. Ruckartig ging er in die Hocke, streckte dabei das rechte Bein.
    Das eigene Bewegungsmoment führte dazu, dass er sich auf dem linken Fuß drehte, in Richtung des ausgestreckten Beins. Als die rechte Ferse ein Drittel eines Kreis hinter sich gebracht hatte, stieß Leesil sie in den Boden der Lichtung.
    Der Oberkörper drehte sich, und beide Arme schwangen nach rechts. Die flach auf den Boden gelegten Hände stützten Leesils Gewicht ab, und das linke Bein schoss nach oben.
    An diesem Tag trainierte er später als sonst. Es gab so viel, an das er sich erinnern, das er erneut lernen musste, und dies war der letzte Morgen, an dem er üben konnte, bevor seine Gefährtin Magiere und alle anderen aufstanden. Bald würde ihre Routine zu einem Leben in der Nacht zurückkehren und von ihnen verlangen, dass sie wieder in ihre Rollen als Inhaber der Taverne »Zum Seelöwen« schlüpften. Magiere würde sich um die Theke kümmern und Leesil am Kartentisch Pharo spielen.
    Erneut sah er über den Hang zur Stadt, und sein Blick verharrte beim nächsten Gebäude, das ganz neu errichtet worden war. Das mit Zedernholz gedeckte Dach hob sich von den anderen verwitterten Dächern a b – der neue »Seelöwe« war fast fertig.
    Weiter im Westen, vor den Anlegestellen, erstreckte sich eine leere, verbrannte Stelle zwischen den Gebäuden, dreimal so groß wie jedes Bauwerk in der Stadt. Die verkohlten Reste des Lagerhauses waren längst weggeschafft, aber selbst der Herbstregen hatte Ruß und Asche nicht ganz fortwaschen können. Das größte Lagergebäude von Miiska hatte dort gestanden, bis es niedergebrannt war, und dafür trug Leesil die Verantwortung.
    Er sah erneut zum »Seelöwen«. Auch die Taverne hatte lichterloh gebrannt, aber sie war aus der Asche neu erstanden und zweifellos bunter als ihre ausgebleichte, windschiefe Vorgängerin. Sie würde für ihn und Magiere erneut ein Zuhause sein, auch für ihren Hund Chap.
    Und irgendwo unter ihr lagen die zu Staub zerfallenen Knochen von Ungeheuern.
    Aber nicht die Reste des Geschöpfs, das Leesil hier auf dieser Lichtung angegriffen und fast getötet hatte. Jene
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