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Dhampir - Götterjagd

Dhampir - Götterjagd

Titel: Dhampir - Götterjagd
Autoren: Barb & J.C. Hendee
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Seite. Dort stand die Tür noch immer einen Spaltbreit offen und erinnerte an Welstiels Nacht der Völlerei.
    Chane näherte sich und sah ins Zimmer, obgleich das schwache Licht der Laterne selbst ihm kaum genügte, Einzelheiten zu erkennen. Geronnenes und getrocknetes Blut bildete dunkle Flecken auf dem alten Leinenkissen des einfachen Bettes. In der Düsternis bemerkte Chane eine Truhe und einen ovalen, verblichenen Läufer. Das kleine Nachtschränkche n …
    Ein Buch lag dort. Er trat durch die Tür und nahm es.
    Tiefe Risse zogen sich durch den ledernen Einband, und das Papier wellte sich. Ein altes Buch, aber gut gefertig t – was hatte ein solches Buch, das sicher nicht billig war, in einem abgelegenen Kloster zu suchen? Chane kehrte damit in den Flur zurück und hielt es ins Licht.
    Von den goldenen Buchstaben des Titels war nur noch wenig übrig, aber die Umrisse ermöglichten es Chane, drei strawinische Worte zu entziffern.
    » Der Pastorale Weg«, las er und blätterte.
    Es war ein Buch mit Gedichten und Versen. Er starrte ins leere Zimmer und fragte sich, wem es gehört hatte. Warum sollte jemand, der in einer so asketischen Umgebung lebte, Gefallen an Dichtkunst finden?
    Er ging an den Türen vorbei, hinter denen auf der einen Seite Lebende und auf der anderen Untote gefangen waren. Als er, mit dem Buch in der Hand, wieder auf dem Stuhl Platz nahm, sah er zu den stillen Türen auf der rechten Seite, die nur von Holzstäben blockiert waren. Ein vager Gedanke regte sich irgendwo in seinem Hinterkopf.
    Mit ihm kam eine Furcht, die er nicht ganz verstand.
    Von plötzlichem Zorn erfasst, warf er das Buch durch den Flur. Es fiel zu Boden, rutschte und blieb in einer Lache aus gerinnendem Blut liegen.
    Ein Kreischen im ersten Zimmer brachte Chane auf die Beine, und er nahm eine Eisenstange. Er hörte, wie Holz brach, und es folgte wütendes Knurren, doch diesmal erbebte die Tür nicht. Etwas geschah im Innern der Zelle.
    Die Stimme einer Frau ertönte, lauter als die erste, und das hungrige Heulen einer dritten Stimme übertönte sie unmittelbar darauf. Es folgten ein schmerzerfüllter Schrei der Frau, animalisches Knurren und ein Geräusch wie von zerreißendem Stoff. Aus dem Schrei wurde ein Schluchzen, dann ein Ächzen, und schließlich war nur noch ein Schmatzen zu hören.
    Chane starrte wie gelähmt auf die Tür.
    Mit jeder weiteren Nacht ließen die Kämpfe in den Zellen nach, aber in der fünften hörte Chane sie ohnehin nicht mehr.
    Welstiel kam die Treppe hoch.
    Er trug eine schwarze Kniehose und ein weißes Hemd, brachte Wasserschläuche und nach altem Brot riechende Beutel. Er ging zur ersten Tür auf der rechten Seite, öffnete sie und warf einen Schlauch und einen Beutel ins Zimmer. Bevor der Gefangene etwas sagen oder sich bewegen konnte, hatte er die Tür schon wieder zugeworfen und den Pflock vorgeschoben. Der Vorgang wiederholte sich bei zwei weiteren Türen.
    Wie oft hatte er dies getan?
    »Wir müssen sie am Leben erhalten«, sagte Welstiel geistesabwesend und nickte dann in Richtung Treppe.
    Chanes nächtliche Wache ging einmal mehr zu Ende, und er wankte die Stufen hinunter.
    An jedem Morgen entdeckte er kleine Seltsamkeiten im Eingangsraum. Es war nichts Ungewöhnliches, aber immer hatte sich das eine oder andere verändert. Einmal hatte Welstiels Rucksack beim Kamin gelegen, mit sonderbaren Stäben aus dunklem Metall, die daraus hervorragten. Aber Chane war zu müde gewesen, um der Sache auf den Grund zu gehen. Bei einer anderen Gelegenheit hatte er die alte Teekanne auf dem Tisch bemerkt, aber weit und breit keinen Becher; es hatte auch nicht nach Tee gerochen.
    In der vierten Nacht war der Raum sorgfältiger aufgeräumt, doch der Geruch nach zermahlenen Kräutern und von etwas Fischartigem und Süßem lag in der Luft.
    Diesmal lag Welstiels Rucksack auf der Sitzbank, und daneben bemerkte Chane eine kleine Flasche und ein ledernes Kästchen, länger und schmaler als der Kasten aus Nussbaumholz, in dem Welstiel den Messingnapf aufbewahrte.
    Dieses Kästchen hatte er nie zuvor gesehen.
    Während ihrer Reise hatte er sich einige Male gefragt, welche arkanen Objekte Welstiel bei sich führte. Er wusste nur vom Messingnapf und dem »Ring des Nichts«, der Welstiel und jene, die er berührte, vor Leuten schützte, die Untote wahrnehmen konnten.
    Chane schlich näher, und als er sich vorbeugte, wurde der Fischgeruch stärke r – offenbar kam er aus dem ledernen Kästchen und der kleinen
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