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Deutschland macht dicht (German Edition)

Deutschland macht dicht (German Edition)

Titel: Deutschland macht dicht (German Edition)
Autoren: Dietmar Dath
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so interessant waren. Sie hatte zuviel Abstraktes gesehen. Das bißchen konkreter Ehrgeiz, Rosalie den Liebsten auszuspannen, war dabei verschrumpelt und gestorben.
    Vielleicht hatte es sich dabei nie um mehr gehandelt als den Wunsch, die Rivalin zu übertrumpfen.
    »Du siehst, du mußt loslassen«, sagte der Erlöser zum Geld. »Die Meridiane werden sich neu ordnen. Vieles wird ungeschehen sein.«
    »Vieles. Nicht alles«, murrte das Geld, »ich bin nämlich nicht an allem schuld, was schiefgegangen ist.«
    »Das stimmt«, konzedierte der Cowboy Jesus. »Dennoch verlange ich von dir, daß du mehr tust, als einen Teil deines Willens fahrenzulassen, wie du’s getan hast, um das Fiebergift aufzulösen, das im Körper des Mädchens gebrannt hat.«
    »Was soll ich machen?« Das Geld schob sein spitzes Kinn vor. Es sah nicht gewinnend aus.
    »Gib deinen Geist auf. Er steht dir nicht zu.«
    »Ha!« rief das Geld aus, »eine feine Nächstenliebe!«
    »Du bist niemandes Nächster, nur jedermanns Nächstliegendes«, sagte der Cowboy Jesus.
    »Na gut! Schön! Macht doch alle, was ihr wollt!« Damit warf das mickrige Böse die Arme in die Luft und verdampfte.
    Zurück blieben sein Schlafrock und bei allen außer Jesus und dem Kommunisten viel Betretenheit.
    Draußen wurde es zügig dunkler.
    Man stand in kleinsten Gruppen zusammen und redete sich ein wenig Ruhe nach dem Sturm herbei. Rosalie hörte Mandelbaum leise mit dem Heiland tuscheln, sie verstand nur Satzfetzen: »... noch froh sein, daß sie bei der Schließung nach ihren barbarischen Blutskriterien selektiert haben und nicht nach sexuellen ...« »... du meinst, das Mädchen und der Junge ...« »... mehrere der Leute, die am glücklichen Ausgang beteiligt waren, sind nicht halb so hetero, wie sie wirken und glauben ...« »... daß sie selber nicht wissen, ob ...« »... andere Geschichte, andermal ...« Schließlich räusperte sich der Erlöser.
    »Die Dinge normalisieren sich«, stellte er befriedigt fest, hob die Hand zum Gruß und sprach: »Mein Werk ist getan. Schalom!«
    Weg war er.
    Mehr Verlegenheit.
    Schließlich stieß Ohne Titel Mandelbaum auf Rosalies Schulter mit einem seiner Greifarme sacht an: »Fehlt nicht noch eine Kleinigkeit zur völligen Bereinigung?«
    »Na ja ...«, Mandelbaum druckste.
    »Also, sag’s ihnen schon. Einer muß es auf sich nehmen.«
    »Was auf sich nehmen?« fragte Bernd Vollfenster.
    »Jemand ...«, begann Mandelbaum zögerlich, »... muß die Geschichte ... öffnen. Die ... Topologie, die Form der Raumzeit muß ein Loch kriegen, um das abgeschlossene Land zu punktieren. Und das geht nur, wenn die Weltlinie irgendeiner Person in dieser Geschichte als Tangente von hier abzweigt ...«
    »Dialektik«, sagte der Kommunist, der plötzlich verstand, was gemeint war. Als sich alle Gesichter ihm zuwandten, führte er aus: »Wir sind aus dem verkehrten Diesseits ins wahre Jenseitsgegangen. Damit die Dinge wieder in Ordnung kommen, muß ein neues Diesseits entstehen, und das klappt nur, wenn jemand ins Jenseits des Jenseits geht. Die Verneinung der Verneinung. Wie bei Hegel und Marx.«
    »Klingt wirr«, fand Hendrik.
    »Jemand muß also hier einschlafen und träumen, aber nicht davon, wie es drüben ist oder war, sondern von einer neuen Welt ...«, sagte Ohne Titel.
    »Vielen neuen Welten. Unendlich vielen. Allen. Das Gegenteil der Abdichtung eben: totale Öffnung«, sagte Mandelbaum.
    »Und wer das macht, kann nicht nach Hause zurück«, ergänzte Ohne Titel, »weil es ihn oder sie dann in der Welt, in die Deutschland zurückkehrt, nie gegeben hat.«
    »Wieso macht ihr es nicht? Du oder der Hase?« meinte Bernd Vollfenster, dem sprechende Kunstwerke und allwissende Stofftiere nach wie vor unheimlich waren.
    »Weil unsere Weltlinien eh nicht dazugehören. Die sind kompakter, auf den normalen aufgerollt«, sagte Ohne Titel, und das für Bernd Vollfenster Unangenehmste an dieser Auskunft war, daß sie ihm absolut plausibel vorkam.
    »Okay«, sagte Hendrik und löste sich von Rosalie, »was soll’s. Wenn’s einer machen muß, dann mach’ ich’s halt.«
    »Das darfst du nicht so flapsig entscheiden«, murrte Mandelbaum, weil er die schwere Verantwortung haßte, jemanden weißgottwohin zu schicken. »Das will überlegt sein.«
    »Ich dachte, es gibt da Abenteuer? Und man wird Weltüberheld dadurch? Klingt doch gut! Außerdem wird es draußen langsam dunkel, also ... na ja ... wie hat Rosalie gesagt: Gute Nacht, aber nicht auf
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