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Deutschland macht dicht (German Edition)

Deutschland macht dicht (German Edition)

Titel: Deutschland macht dicht (German Edition)
Autoren: Dietmar Dath
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im Hals«, knurrte Ohne Titel, dem überhaupt nichts peinlich war.
    »Das kann nicht sein«, widersprach Hendrik, »du hast keinen Hals.«
    Anstatt darauf zu antworten, hustete Ohne Titel und spuckte Clea aus. Geheilt, blitzsauber und reichlich schön war sie, trug andere Kleidung als jene, die sie vor dem Verschlucktwerden durch Ohne Titel angehabt hatte: ein langes weißes Gewand. Alle staunten, auch der Cowboy Jesus.

    »Ich hab’ ganz tolle Sachen gesehen«, sagte Clea, »ich war mitten in der Kunst.«
    Das Geld rümpfte die Nase: »Wird schon so was gewesen sein«, aber als der Cowboy Jesus es mit seiner ganzen Autorität nur einen Augenaufschlag lang fixierte, schaute es besiegt zu Boden. Die böse alte Unterlippe zitterte, mehr wagte sie nicht. Man scharte sich um den Cowboy Jesus, staunte ihn ordentlich an und war davon beeindruckt, wie gleichmütig er das ertrug.
    »Wo genau«, fragte Hendrik, »kommst du eigentlich her? Es gibt doch kein ›draußen‹ mehr.« »Willst du ihnen das erklären, Mandelbaum?« fragte der Heiland lächelnd. »In kosmologischer Theologie bist du firm genug.«
    Mandelbaum, den Rosalie wieder an seinen Lieblingsplatz auf ihrer Schulter gesetzt hatte, räusperte sich putzig, deutete eine Verbeugung gegen den Retter an und sagte: »Ganz genau kann man diese Dinge natürlich nicht wissen. Wo bliebe sonst der Glaube?«
    Der Kommunist machte dazu eine leicht mißbilligende Miene, blieb aber still, schließlich hatte das Eingreifen des Erlösers vor allem ihn gerettet.
    »Aber soweit man dazu überhaupt etwas sagen kann«, führte der Hase aus, »kommt er nicht von draußen, sondern im Gegenteil von sehr weit drinnen – aus den kleinsten Bausteinen der leeren Raumzeit selber, aus den Urzellen jeder Topologie, nämlich aus winzigen Wurmlöchern, die ...« »Wenn ich noch eine einzige von diesen Erläuterungen, die alles immer nur noch wirrer machen, als es eh schon ist, ertragen muß, fange ich an zu bellen!« rief Hendrik.
    Der erste, der ihm lachend zustimmte, war der Cowboy Jesus.
    Dann freilich wurde er ernster. Er wies auf Clea, sah dem Geld in die ungesund gelben Augen und sagte: »Dem Zustand des Mädchens nach zu urteilen hast du also begonnen, dich wieder aus der denkenden und Zwecke setzenden Welt zurückzuziehen, wo du nichts verloren hast. Bereust du? Siehst du ein, daß das Mädchen das einzig Gute ist, das du hüben und drüben ermöglicht hast?«
    Das Geld verzog die Fratze zu einer Grimasse weinerlichen Selbstmitleids und klagte: »Ich hätt’ ja gar nicht ... wollt’ ja nur ... aber da war dieser Plan, Monogenis ... der hätte mich entweder zerteilt, einen Teil von mir in Deutschland eingeschlossen und den Rest verstümmelt, oder mich in Deutschland eingesperrt, beziehungsweise ausgesperrt ... und dann hat man sie entführt, die unschuldige, die brave, kleine ...«, es hatte sich Clea genähert und versuchte, den reisigtrockenen Arm um sie zu legen. Ganz unabsichtlich, rein instinkthaft wich sie zurück.
    »Siehst du?« mahnte der Cowboy Jesus. »Du hast an ihrem Werden Anteil gehabt, aber jetzt kannst du ihr nichts mehr geben. Du bist nur Geld.«
    »Ich bin ein Elternteil.«
    »Eltern sind solche, die geben, was Eltern geben sollten«, sagte der Cowboy Jesus.
    »Das ist wie mit dem Nächsten, stimmt’s?« überlegte Rosalie laut. »In der Samaritergeschichte, mein’ ich. Mein Nächster ist, der mich braucht und dem ich helfen kann und so.«
    Jesus sah sie nachdenklich an und lächelte melancholisch: »Stimmt, die Samaritergeschichte. Die hätte noch besser gepaßt als das mit den Eltern.«
    »Die alten Hits sind die besten, was?« trumpfte Ohne Titel jovial auf.
    »Was passiert jetzt?« wollte Hendrik wissen.
    »Nun, mal sehen«, sagte der Heiland nachdenklich. »Was mich angeht: Ich bin natürlich, wie gehabt, bei euch bis ans Ende aller Tage, wo zwei oder drei von euch in meinem Namen versammelt sind ...«
    »Soll heißen, seinen Teil der Teufelsaustreibung hat er geleistet. Er macht sich mal wieder bis auf weiteres vom Acker«, übersetzte Ohne Titel gewohnt respektlos.
    »Und das abgedichtete Deutschland? Und Cleas Mutter?« fragte Rosalie.
    »Was ist mit meiner Mutter?« Clea war alarmiert, wenn auch nicht übermäßig.
    »Ein Käse hat sie gesprengt«, sagte Hendrik und sah Clea dabei so an, daß sie merkte: Es tat ihm wirklich leid. Ein bißchen verwundert stellte sie insgeheim bei sich fest, daß seine Meinung und seine Empfindungen für sie nicht mehr gar
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