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Deshalb heisse ich Starker Baer

Deshalb heisse ich Starker Baer

Titel: Deshalb heisse ich Starker Baer
Autoren: Irina Korschunow
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Dank.«

    Dann fingen wir an, auf das Spitzhorn zu steigen.
    Wenn wir gewusst hätten, was uns bei dieser Bergtour alles passieren würde, wären wir umgekehrt. Aber wir konnten es ja nicht wissen. Deshalb freuten wir uns über das gute Wetter und ich freute mich außerdem, weil mein Vater mich gelobt hatte. An Regen dachten wir nicht.
    Gleich als es losging, merkte ich, dass es diesmal wirklich kein Damenspaziergang war. Der Weg stieg von Anfang an steil hinauf und hatte viele Kurven. »Serpentinen nennt man diese Kurven«, erklärte mein Vater, aber das wusste ich schon.
    Es war dunkel, weil an beiden Seiten hohe Tannen standen. Manchmal floss ein Bach über den Weg und wir mussten hinüberspringen. Nur einmal, an einerBiegung, glitzerte das Wasser in der Sonne. Dort waren ein paar Bäume gefällt und der Bach floss durch ein helles Wiesenstück. Das Wasser war ganz klar. Man konnte jeden Kieselstein erkennen.
    »Das sieht nach Forellen aus«, sagte mein Vater, »wir wollen nachsehen, ob es hier Fische gibt.« Ich kniete mich hin, aber ich sah keine Forelle. Mein Vater ging ein Stück am Bach entlang. »Dort hinter dem großen Stein könnten sie stehen«, sagte er.
    Ich hockte mich neben ihn auf die Erde und da entdeckte ich eine, gleich neben dem Stein. Sie rührte sich nicht. Sie sah beinahe selbst wie ein Stein aus.
    »Pass auf, was ich jetzt mache«, flüsterte mein Vater. Vorsichtig glitt er mit seiner Hand über das Wasser. Dann fuhr er hinein und packte die Forelle. Es ging soschnell, dass sie nicht wegschwimmen konnte. Sie zappelte in seiner Hand und schnappte nach Luft. Jetzt sah sie nicht mehr wie ein Stein aus, sondern lebendig und mit silberner Haut.
    »So haben wir als Kinder Forellen gefangen«, sagte mein Vater. »Aber das brauchst du Stadtjunge nicht zu lernen. Bei uns im Hochhaus gibt es kein Forellenwasser.«
    »Vielleicht lerne ich es doch«, sagte ich. »Wollen wir die Forelle braten?«

    Mein Vater schüttelte den Kopf. »Wir sind doch nicht zum Fischessen hergekommen. Nein, diese Forelle hat Glück, sie kann weiterleben.« Er öffnete seine Hand und die Forelle sprang ins Wasser zurück.
    »Komm«, sagte mein Vater, »wir müssen weiter.«
    Das fand ich schade. Ich wäre gern bei dem Forellenwasser geblieben.
    Der Aufstieg gefiel mir nicht besonders gut. Er wurde immer steiler. Auch die hohen Tannen standen wieder am Weg und ließen keinen Sonnenstrahl durch.
    Mein Vater und ich gingen nebeneinanderher. Er erzählte mir von der Eiszeit und dass vor vielen, vielen Tausend Jahren alle Berge in dieser Gegend von dickem Eis bedeckt waren und dass es damals hier keinen einzigen Baum gegeben hat. Sogar die Täler waren voll Eis, kein Mensch konnte dort leben.
    Mein Vater sagte, dass irgendwann wieder so eine Eiszeit kommt. Aber davor braucht man keine Angst zu haben. Bis zur nächsten Eiszeit ist es noch lange hin, mindestens zehntausend Jahre, und vielleicht gibt es in zehntausend Jahren gar keine Menschen mehr.
    Danach sprachen wir über die Holzarbeiter,wie sie das Holz fällen und vom Berg hinunterschaffen.
    Und dann mochte ich nicht mehr reden. Denn der Weg nahm überhaupt kein Ende. Stundenlang ging es weiter.
    Als an der linken Seite eine Lücke zwischen den Bäumen war, konnte ich hi- nuntersehen. Da sah ich tief unten das Forsthaus liegen, klein wie eine Hundehütte. So hoch waren wir schon hinaufgestiegen! Und es wurde immer noch steiler.
    Jetzt gingen wir auch nicht mehr nebeneinander. Mein Vater lief ziemlich schnell vor mir her und ich blieb immer weiter zurück. »Renn doch nicht so«, rief ich, »sonst komme ich nicht mit.«
    »Streng dich ruhig an«, antwortete er, »ein Bergsteiger muss einen Schritt vor den anderen setzen, ohne Pause. Wennman trödelt, wird man müde. Und schwitzen tut gut.«
    Ich fand schwitzen aber gar nicht gut und den steilen Weg erst recht nicht. Ich wollte mich lieber ausruhen.
    Mein Vater sah mich an.
    »Was bist du nun, Martin?«, fragte er. »Ein Starker Bär oder doch nur ein Schneller Schwätzer? Du weißt gar nicht, wie schön es ist, wenn wir erst oben sind. Da siehst du das ganze Land vor dir liegen und darfst dir mit deinem Messer ein großes Stück Wurst abschneiden. So groß, wie du magst, das verspreche ich dir. Wurst schmeckt nirgends besser als oben auf dem Gipfel.«
    Aber das glaubte ich nicht. Ich wollte keine Wurst. Ich hatte eine Wut auf meinen Vater, weil er schon wieder weiterlief und mich schwitzen ließ.
    »Komm, Starker Bär!«, rief
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