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Deshalb heisse ich Starker Baer

Deshalb heisse ich Starker Baer

Titel: Deshalb heisse ich Starker Baer
Autoren: Irina Korschunow
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Alm zwischen den Kühen hindurch, über die Wiese mit demKaulquappentümpel und kam auf den steilen Weg, wo ich so gestöhnt und geschwitzt hatte. Nun musste ich ihn wieder hinuntersteigen. Das war schwierig, weil er vom Regen glitschig war wie eine Rutschbahn. Ich wollte nicht hinfallen, denn ich dachte, wenn ich noch einmal auf den Rücken falle, kann ich nicht wieder aufstehen. Deshalb nahm ich einen dicken Ast als Stütze. Damit ging es besser.
    Wenn ich heute an diesen Weg denke, weiß ich nicht mehr, wie ich überhaupt hinuntergekommen bin. Es war nämlich gar kein Weg mehr, sondern nur noch Matsch. Und die kleinen Bäche hatten sich in Wasserfälle verwandelt. Aber mir war alles egal.
    Ich ging einfach vorwärts, durch den Matsch und durch die Wasserfälle. Ein paarmal rutschte ich aus und fiel hin. Aber ich konnte immer wieder aufstehen, und wenn ich liegen bleiben wollte, dachte ich an meinen Vater. Oder ich dachte an einen verwundeten Indianer, der über die Prärie läuft und nach Hause will. So eine Geschichte hatte ich einmal gelesen. Damals wusste ich nur noch nicht, wie das ist. Das weiß ich erst jetzt.
    Trotzdem wurde mein Rücken immer schlimmer. Der Weg hörte nicht auf, derRegen auch nicht. Jetzt kann ich nicht mehr, dachte ich an jeder Kurve. Doch gerade, als ich wirklich nicht mehr konnte und mich hinsetzen wollte, sah ich unser Auto und den Holzplatz und das Försterhaus. Ich hatte es geschafft.
    Der Förster stand diesmal nicht im Garten. Das Haus war dunkel. Ich bekam einen Schreck. Ob er etwa auch fortgegangen war? Bis zum Dorf hätte ich es bestimmt nicht mehr geschafft.
    Vor Angst wummerte ich noch lauter an die Tür als vorher bei der Sennhütte.
    Endlich kam der Förster. »Zum Donnerwetter!«, brüllte er zornig, »kannst du nicht anständig klingeln?«
    Ich hatte gar keine Klingel gesehen undich fing an zu heulen und sagte: »Mein Vater – mein Vater …« Ich konnte gar nichts herausbringen vor Heulerei. Dabei wollte ich gar nicht heulen, es kam von ganz allein.
    Der Förster nahm mich mit in die Stube. Er und seine Frau waren nett zu mir. Ich hörte auf zu heulen und erzählte, was mit meinem Vater passiert war, und dass er zwischen den Felsen lag und gerettet werden musste.
    Der Förster rannte zum Telefon und nach kurzer Zeit waren die Männer von der Bergwacht mit einem Auto beim Försterhaus. Einer von ihnen guckte noch schnell meinen Rücken an.
    »Du hast einen Bluterguss«, sagte er, »das gibt einen blau karierten Rücken. Ist aber nicht schlimm. Und jetzt holen wir deinen Vater.«
    Dann gingen die Männer fort. Der Förster ging auch mit. Nur seine Frau und ich blieben im Haus.
    Die Förstersfrau sagte: »Komm, leg dich ins Bett. Du musst warm werden. Ich bringe dir etwas zu essen und heißen Tee.«
    Ich war froh, als ich im Bett lag. Essen mochte ich nichts. Nicht einmal Tee habe ich getrunken, weil ich gleich eingeschlafen bin.

    Als ich aufwachte, stand der Förster in meinem Zimmer. »Dein Vater liegt jetzt im Krankenhaus«, sagte er. »Sein Bein ist gebrochen, am Knöchel und weiter oben noch einmal. Aber sonst geht es ihm gut. Du hast ihn gerettet. Du bist ein tapferer Junge. Und nun schlaf weiter.«
    Da war ich so glücklich wie noch nie in meinem Leben. Noch viel glücklicher als an Weihnachten und zu Weihnachten habe ich doch die Rennbahn bekommen und mich so gefreut.
    Am nächsten Tag brachte der Förster mich nach Hause. Meine Mutter war schon da. Der Förster hatte sie benachrichtigt. Sie weinte, als sie mich sah.
    Ich sagte: »Mama, weine nicht. MeinRücken ist bloß ein bisschen blau kariert, der wird wieder gut.«
    Da weinte sie noch mehr. Und sie sagte: »Morgen bekommst du das Fahrrad, das du dir so wünschst.«
    »Fein!«, schrie ich und machte einen Luftsprung. Dann schrie ich: »Au, mein Rücken!« Denn mit einem blau karierten Rücken kann man nicht springen.
    Als meine Mutter aufgehört hatte zu weinen, fuhren wir zusammen ins Krankenhaus. Mein Vater lag in einem weißen Zimmer in einem weißen Bett und um sein Bein war ein dicker weißer Gipsverband. Aber sein Gesicht sah aus wie immer, nicht mehr so komisch und fremd. Er nahm meinen Kopf und drückte ihn fest an sich. »Danke, Starker Bär«, sagte er.
    Von da an fuhren wir jeden Tag ins Krankenhaus, bis mein Vater wieder nach Hause durfte. Aber das ist alles lange her. Inzwischen ist er ganz gesund geworden.
    Wir haben sogar schon wieder eine große Bergtour gemacht. Meine Mutter hat zwar geschimpft
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