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Des Teufels Werk

Titel: Des Teufels Werk
Autoren: Minette Walters
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hatte ihn das letzte Mal tatsächlich in Kinshasa gesehen – er hatte zu der Söldnertruppe gehört, die für Laurent Kabilas Regime gekämpft hatte –, und damals hatte er sich Keith MacKenzie genannt.
    Ich vermute, ich habe mir darüber Gedanken gemacht, warum er einen anderen Namen angenommen hatte und wie er zu einem Pass auf den Namen John Harwood gekommen war, aber sicher nicht lange. Ich dachte ja wirklich, dass ich ihm nie wieder begegnen würde.

2

    Zwei Jahre später, im Frühjahr 2004, erkannte ich ihn auf den ersten Blick. Ich war für drei Monate nach Bagdad geschickt worden, um über die sich rapide verschlechternde Situation im Irak zu berichten – länger konnte kein Reporter den Stress in diesem Land ertragen, das sich immer mehr als ein einziger Scherbenhaufen entpuppte. Seit die Misshandlung von Insassen im Gefängnis Abu Ghraib durch US-Soldaten bekannt geworden waren, forderten Zeitungen in aller Welt laufend Berichte an.
    Wer aus dem Westen kam, lebte gefährlich. Private Unternehmer waren Ziel von Geiselnahmen und Hinrichtungen, und private Sicherheitsfirmen warben zu ihrer Bewachung ehemalige Soldaten zu Tausenden an. Der Irak war zum Söldnerparadies geworden. Die Männer bekamen das Doppelte von dem, was man ihnen woanders bezahlte, aber das Risiko war auch enorm hoch. Schießereien zwischen Angestellten privater Sicherheitsunternehmen und irakischen Aufrührern waren an der Tagesordnung, aber sie machten selten Schlagzeilen. Man verschwieg die Zwischenfälle, um den Auftraggeber zu schützen, in sehr vielen Fällen die Regierung der Vereinigten Staaten.
    Während die USA und ihre Alliierten nach Bekanntwerden der Zustände in Abu Ghraib von einem Public-Relations-Desaster in das andere stolperte, starteten man eine Charme-Offensive, um dem durch die ›Folterfotografien‹ verursachten Schaden entgegenzuwirken. Dazu gehörte unter anderem, dass man das Pressecorps zu unterschiedlichen Gefängnissen und Ausbildungseinrichtungen karrte, zu denen man ungehinderten Zugang versprach. Zynisch wie wir waren, glaubte kaum einer von uns, dass wir etwas zu sehen oder zu hören bekommen würden, was nicht ›regelkonform‹ war, aber wir machten die Fahrt mit, schon um der klaustrophobischen Enge unserer festungsähnlichen Hotels zu entkommen.
    Damals konnte man sich im Irak nicht allein auf die Straße wagen, wenn einem seine Freiheit und sein Leben lieb waren. In einer Zeit, da El-Kaida auf jeden westlichen Ausländer eine Kopfprämie ausgesetzt hatte – und Frauen nach Lyndie Englands Rolle bei der Gefangenenmisshandlung als mögliche ›Sexsklavinnen‹ ins Visier genommen wurden –, war die Presseakkreditierung kein Schutz. Bagdad galt als die gefährlichste Stadt der Welt, und ob nun zu Recht oder Unrecht, Journalistinnen sahen hinter jeder Ecke Vergewaltiger lauern.
    Eine diese PR-Fahrten endete an der Polizeiakademie, wo alle zwei Monate fünfhundert frisch ausgebildete irakische Polizisten auf die Menschheit losgelassen wurden. Die USA und ihre Alliierten hatten die Leute gut gedrillt, und man servierte uns an der Akademie die gleichen Menschenrechtssprüche wie überall sonst. Die wiederkehrenden Floskeln lauteten: »Einhaltung gesetzlicher Vorschriften«, »klare Zuständigkeiten«, »absolute Orientierung an den Grundsätzen der Menschlichkeit«, »angemessene Kontrollen«.
    Das waren alles schöne Worte und ehrlich gemeint von den schnittigen jungen Irakern, aus deren Mund sie kamen. Aber Übertretungen würden sie wahrscheinlich ebensowenig verhindern wie zuvor die Nürnberger Prozesse oder die Untersuchung des My-Lai-Massakers im Vietnamkrieg. Wenn ich aus meinen Vorstößen in die Kriegsgebiete dieser Welt etwas gelernt hatte, dann das: Dass es überall Sadisten gibt und dass Kriege ihr Tummelplatz sind.
    Gründlich angeödet warf ich einen Blick durch ein offenes Fenster, während sich die Presseschlange durch das Hauptgebäude wand. In der Mitte des Raums standen mehrere uniformierte Hundeführer mit angeleinten Schäferhunden vor einem Mann in Zivil, von dem ich nur den Rücken sah. Ich hätte MacKenzies runden Kopf überall erkannt, schon an dem Krummsäbel-Tattoo, doch als er sich auch noch umdrehte, gab es keinen Zweifel mehr. Das Gesicht war unverwechselbar. Eher verblüfft als aus irgendeinem Interesse, mit ihm zu sprechen, blieb ich stehen, aber er schien mich nicht zu erkennen. Mit einem gereizten Stirnrunzeln ging er zum Fenster und schloss es.
    Ich lief nach vorn zu
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