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Des Teufels Werk

Titel: Des Teufels Werk
Autoren: Minette Walters
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Heimfahrt vom Makrelenfang. Es gelang, den Teilabdruck eines Fingers zu sichern, mit dem sich nachweisen ließ, dass der Arm einst MacKenzie gehört hatte. Ein DNS-Test mit Speichel von einem Glas in der Wohnung meiner Eltern bestätigte den Befund.
    Es gab Mutmaßungen darüber, wie der Arm vom Körper abgetrennt worden war und wie es kam, dass er nach so langem Aufenthalt im Wasser relativ intakt geblieben war. Er schien am Ellbogen abgerissen worden zu sein, aber es fanden sich keine offenkundigen Male auf der Haut, die darüber Auskunft hätten geben können, wie das geschehen war. Es wurde allerdings festgestellt, dass drei Fingerknochen gebrochen waren. Es war die Rede von Angriffen durch Haie, aber das nahm keiner ernst. In den freundlichen Küstengewässern Westenglands hielten sich gelegentlich planktonfressende Riesenhaie auf, aber niemals solche, die Menschen angriffen.
    Polizeitaucher suchten den Meeresgrund über eine Länge von mehreren hundert Metern rund um die Felsen ab, dazu einige Gebiete im Westen, wo Strömungsexperten zufolge MacKenzie ins Wasser gelangt sein könnte, aber es wurde nichts weiter gefunden. Jess, Peter und ich wurden zu einem bizarren Leichenschauverfahren geladen, bei welchem dem Arm Tod durch Unfall bescheinigt und die Vermutung geäußert wurde, dass dem dazugehörenden Menschen Ähnliches widerfahren war. Danach schlossen Alan und Bagley ihre Akten.
    Die Zeitungen brachten ein paar Artikel mit Einzelheiten über das, was von MacKenzie bekannt war, aber die ganze Geschichte wurde nie enthüllt. Bagley gab sich mit der Unfalltheorie zufrieden – im Dunklen auf den Küstenklippen vor der Polizei auf der Flucht konnte man leicht abstürzen –, für Alan jedoch war weiterhin alles offen. Aus einem Stück Arm, meinte er, sei nicht mehr zu erfahren als der Name des Eigentümers. Selbst dass dieser tot sei, könne man nur vermuten.
    »Aber ist das nicht genau das, was Sie wollten?«, fragte ich. »Eine Bestätigung.« Er hatte ebenfalls an dem Leichenschauverfahren teilgenommen, und ich hatte mich von Jess und Peter getrennt, um mich mit ihm in eine Teestube ganz in der Nähe zu setzen.
    Alan nickte. »Aber ich werde immer neugierig bleiben, Connie. Es mag Zufall sein, dass er ertrank, nachdem er einen Hund und einen Angriff mit einer Machete abgewehrt hatte – aber die Parallelen sind auf jeden Fall interessant.« Er rührte seinen Tee um. »Und sein Arm war genau an der Stelle abgerissen, an der er damals in Freetown den der Prostituierten gebrochen hatte.«
    »Es war keine Machete«, korrigierte ich freundlich. »Es war eine Axt.«
    »Auch nicht viel anders.«
    Wir saßen einander gegenüber, und ich betrachtete forschend sein Gesicht, um zu erkennen, wie ernst es ihm war. »Ich glaube nicht an Auge um Auge, Alan. Das ist eine wahnwitzige Form von Gerechtigkeit. Und wenn ich die perfekte Rache gewollt hätte, dann hätte ich MacKenzie erst mal drei Tage in einen Käfig eingesperrt.«
    Seine Augenwinkel kräuselten sich, als er lächelte. »Ja, daran habe ich auch schon gedacht.«
    Ich lachte. »Bagley hätte ihn gefunden. In Barton House ist jeder Zentimeter Boden mindestens zweimal abgesucht worden.«
    »Hm.«
    »Sie glauben doch nicht im Ernst, dass ich so etwas tun würde?«
    »Warum nicht? Er war ein Mörder. Ein Sadist. Er genoss es, anderen Schmerz zuzufügen. Er brüstete sich damit, was er Ihrem Vater angetan hatte, er demütigte Ihre Freundin und tötete ihren Hund. Sie verstehen Ihre Gefühle zu verbergen, Connie. Sie sind intelligent, und Sie haben Mut. Warum würden Sie ihn nicht töten, wenn sich die Gelegenheit dazu böte?«
    »Weil ich dann nicht besser wäre als MacKenzie.«
    Alan trank einen Schluck Tee und sah mich über den Rand der Tasse hinweg an. »Kennen Sie Friedrich Nietzsches Ausspruch darüber, dass das Böse den Menschen verdirbt? Er hängt bei mir über dem Schreibtisch. Simpel ausgedrückt besagt er: ›Wenn du mit Ungeheuern kämpfst, gib Acht, dass du nicht selbst zum Ungeheuer wirst.‹ Es ist eine Warnung für alle Polizisten.«
    Ich nickte. »Und weiter heißt es: ›Wenn du zu lange in den Abgrund blickst, blickt der Abgrund in dich.‹ Wie würden Sie das mit simplen Worten sagen?«
    »Was schlagen Sie vor?«
    »Wenn du am Abgrund stehst, dann tritt zurück.«
    »Und haben Sie das getan?«
    »Aber natürlich«, sagte ich und bot ihm einen Keks an. »Aber MacKenzie nicht.
Er
ist abgestürzt.«

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