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Des Teufels Maskerade

Des Teufels Maskerade

Titel: Des Teufels Maskerade
Autoren: Schlederer Victoria
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Mirko ihn beinahe fallen ließ.
    »Fürst?«, fragte er fassungslos.
    Der General lächelte.
    Lysander blinzelte. »Verzeihen Sie meine Unverschämtheit, mein lieber Fürst, und glauben Sie mir, es ist wahrlich nicht so, als würde es mir nicht unendliches Plaisir bereiten, Sie zu sehen, aber wenigstens die Geschichtsbücher sind der Meinung, Sie wären schon vor einer Weile …« Er brach ab.
    »Sir Lysander!«, tadelte ihn der General. »Gerade Ihnen sollte ich doch nicht erklären müssen, wie leicht solche Dinge geschehen.«
    »Ich kenne eine Dame in Prag, eine gewisse Mrs Everett, die ist der Meinung, Sie würden Ihr zuweilen als Geist erscheinen und mit ihr plaudern.«

    »Was Sie nicht sagen, Sir Lysander!«
    Der General grinste. Es gab keine andere Bezeichnung, auch wenn sie bei dem hochwohlgeborenen Herrn, der da vor uns stand, kaum angemessen schien. »Seien Sie so freundlich und lassen Sie ihr das Vergnügen.«
    Er ließ sich hinter seinem Schreibtisch nieder. »Ich will es kurz machen, meine Herren. Der jüngste Vorfall in Prag, mit dem sich mittlerweile weit prosaischere Organisationen als unsere befassen, hat uns vor Augen geführt, dass wir dringend wieder einer Dependance in der Stadt bedürfen.« Er strich sich eine schlohweiße Locke aus der Stirn; an seiner Linken sah ich einen Freimaurerring blitzen. »Graf Trubic hat sich schon bereiterklärt, die Leitung des neuen Prager Bureaus für Okkulte Angelegenheiten zu übernehmen, und hat Sie, meine Herren, gewissermaßen als Gründungsmitglieder vorgeschlagen.«
    »Mich auch?«, platzte Mirko, von jeglichen Manieren und allen guten Geistern verlassen, heraus.
    Der General legte den Kopf zur Seite. »Ja, auch Sie, Herr Zdar«, sagte er sanft.
    »Mit Verlaub, Herr General, ich denke nicht, dass wir dieser Aufgabe gewachsen sind«, warf ich vorsichtig ein.
    Er hob beide Augenbrauen. »Aber, Baron! Nur weil Sie in dem Fall Lišek auf kaum einen grünen Zweig gekommen sind? Nur Mut!«
    »Ja«, sagte Lysander.
    »Das ist ja kolossal«, sagte Mirko.
    Ich zögerte. Hauptsächlich, weil mir der Gedanke, unter Felix’ Kommando zu stehen, grundlegend missfiel.
    »Entscheiden Sie nicht sofort. Nehmen Sie ein paar Tage Bedenkzeit«, riet der General.

TAGEBUCH BARON SIRCOS, PRAG, 18. JULI 1909
    Das Requiem für Felix Trubic in der St.-Nikolas-Kirche stellte ein gesellschaftliches Großereignis dar, das noch am darauffolgenden Sonntag beim Grabenkorso das Hauptgesprächsthema bildete: Nicht allein deshalb, weil der verschiedene Graf sich größter Beliebtheit hatte erfreuen dürfen, oder weil die Begräbnisfeierlichkeiten so denkwürdig ausgerichtet waren – nein! Die skandalträchtigen kleinen und größeren Irregularitäten waren es, welche für Gesprächsstoff sorgten. Etwa das unmögliche Betragen der noch kaum in die Prager Gesellschaft eingeführten Comtesse, die zum einen mit ihrem gänzlich unangemessenen Verlobten erschienen war, und zum andern eine widernatürliche Heiterkeit an den Tag gelegt hatte, deren Ursache wiederum Grund zu Spekulationen bot.
    Erwähnung fanden auch Baron Sirco, den eine ehemalige Dirne und gegenwärtige Besitzerin eines stadtbekannten Bordells begleitet hatte, und das entlaufene Frettchen, das für allgemeines Durcheinander sorgte, ehe es eingefangen werden konnte.
    Den Höhepunkt der Absonderlichkeiten stellte jedoch zweifelsohne der Auftritt jenes blutjungen Mannes dar, der sich nicht nur als Sohn des verstorbenen Grafen, sondern in den folgenden Tagen auch als dessen alleiniger Erbe herausstellte! Auch wenn er erhebliche Unruhe in die Prager Oberschicht brachte, so musste man dem Jüngling (er war vermutlich keine
zwanzig), zugutehalten, dass er einige der charmantesten Qualitäten seines Vaters geerbt hatte, so auch dessen Konversationstalent, Esprit und rotes Haar. Wahrlich, das Einzige, was man Graf Felix-Ilja von Trubic vorzuwerfen hatte (abgesehen von der nicht gänzlich geglückten Vornamenkombination, die ihm gerechterweise jedoch nicht angelastet werden durfte), war sein ausgeprägter Hang zum Zynismus, der einem so jungen Menschen schlecht zu Gesichte stand.
     
     
    Im Durcheinander des Grabenkorsos bahnte sich Graf Trubic seinen Weg durch die tratschende Gesellschaft, steuerte direkt auf Baron Sirco zu, der mit Frettchen, Ziehsohn und stadtbekannter Bordellbesitzerin einherschlenderte.
    »Nun?«, fragte Felix. Seine Augen, entschied ich, seine Augen hatten sich nicht verändert.
    Und ich sagte: »Ja.«

k.u.k.
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