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Des Teufels Maskerade

Des Teufels Maskerade

Titel: Des Teufels Maskerade
Autoren: Schlederer Victoria
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unverzeihlich lange dauerte, bis ich zu Hause ankam. Papa …« Sie zögerte. »Es geht ihm sehr schlecht. Er war mir nicht einmal böse, dass ich ihn belogen hatte, als ich ihm gestern Abend sagte, ich wolle früh zu Bett gehen und nicht gestört werden.«

     
     
    Eine hektische Szene, an der mehrere Fahrzeuge, uniformierte Beamte und zahllose Schaulustige jeglichen Alters und sämtlicher Gesellschaftsschichten beteiligt waren, offenbarte sich uns, als Lili Trubic den Benz in unmittelbarer Nähe des Pulverturms zum Halten gebracht hatte. Ich sprang aus dem Wagen, Lysander, Mirko und auch Lili folgten mir auf dem Fuße. Es schien, als hätten wir unser Haus gefunden.
    »Bedaure, da dürfen Sie nicht weiter«, hielt uns ein Polizist auf. Das sonst so allgegenwärtige »Herr« blieb mir verwehrt. Tatsächlich maß der Beamte mich mit einer Miene, die nahelegte, dass er gerade über meine vorbeugende Verhaftung als potenzieller Ruhestörer und Vagabund nachsann.
    »Was ist hier vorgefallen?«, erkundigte ich mich, ein wenig atemlos. Ein Sarg wurde aus dem schmucken Wohnhaus getragen.
    »Alles«, vernahm ich eine wohlbekannte Stimme. Ich wandte mich um: Dr. Rosenstein stand vor mir, sichtlich erschöpft – schwärzliche Ringe rahmten seine Augen –, aber unleugbar stolz. »Mord, Geiselnahme, Widerstand gegen die Staatsgewalt, Selbstmord und politische Agitation«, zählte er auf und klang dabei recht vergnügt.
    »He! Den Sarg lassen Sie mir doch bitte hier!«, rief er zwei Polizisten zu, die sich an dessen Verladung machten. »Entschuldigen Sie mich bitte einen Moment, Baron.«
    Er fischte eine silbrige Identifikationsmarke aus seinem Jackett, die er vor den Polizeileuten schwenkte, während er ihnen wortreich darlegte, weshalb er unter allen Umständen den Sarg selbst mitnehmen musste, im Namen von Kaiser und Vaterland.
    Ich war nicht der Einzige, der staunte.
    »Das soll unser Doktor Rosenstein sein?«, flüsterte Mirko frech. Lysander, der auf seinen Schultern hing, keckerte leise.
    »Es tut mir leid.« Dr. Rosenstein hatte sich wieder zu uns
gesellt. Mit dem Handrücken wischte er sich den Schweiß aus der Stirn. »Ich denke, ich sollte den Vampir in Sicherheit bringen, ehe noch ein wohlmeinender Versuch unternommen wird, ihn in die Leichenhalle zu bringen«, flüsterte er und wies mit beredter Geste auf den Sarg.
    »Es geht ihm gut?«, bestürmte ihn Lili Trubic.
    Dr. Rosenstein machte eine kleine Verneigung. »Nun, die Verbrennungen sind gravierend« – die Comtesse und ich hüstelten unisono –, »aber ich vermute, er wird heilen. Natürlich bin ich kein Experte auf dem Gebiet untoter Medizin … Halt! Nein! Nicht den Sarg, nicht die Papiere!«, unterbrach er sich. Zwei schuldbewusste Polizisten zogen von dannen.
    Ich nahm Lili beiseite. »Ich denke, wir sollten Sie Ihren Aufgaben überlassen, Doktor«, erklärte ich in wahrhaft heroischer Selbstüberwindung, brannte ich doch darauf, zu erfahren, wie sich diese unwahrscheinliche Situation ergeben hatte.
    Dr. Rosenstein nickte dankbar. »Ich habe um Verstärkung nach Wien telegraphiert, aber bis jemand eintrifft.« Er seufzte.
    »Schon gut.« Freundschaftlich drückte ich seinen Arm.
    Er sah zu mir auf. »Sie sehen so aus, als hätten Sie Ihren Fuchs zur Strecke gebracht«, sagte er leise.
    Ich blinzelte und schämte mich der Tränen, die mit einem Mal in meinen Augen brannten. All die Schrammen und Kratzer taten plötzlich sehr weh.
    Dr. Rosenstein sah mich an – und verstand. Oder heuchelte er nur Verstehen? Es spielte keine Rolle in jenem Augenblick.
    »Es tut mir leid«, murmelte er. »Es tut mir sehr leid.«
    Ich raffte mich auf. »Gehen wir«, wandte ich mich an meine Begleiter. »Wir haben einen Gefangenen freizulassen.«
     
     
    Ich schickte ein Telegramm an Felix: »Es ist vorbei.« Ich schlief; ich wurde verhaftet und verbrachte einen langen Nachmittag
auf dem Polizeipräsidium, wo man einhellig beschloss, dass ich in diesem Fall zu weit gegangen war: Einen unliebsamen Zeugen über 24 Stunden gegen seinen Willen festzuhalten, würde ein gerichtliches Nachspiel mit sich bringen. Dass ich bis zum Prozess auf freiem Fuß bleiben konnte, durfte ich als Zugeständnis an meine Integrität betrachten. Ich nickte, schüttelte Hände, nahm halbherzige Genesungswünsche und neugierige Blicke entgegen. Ich kehrte nach Hause zurück und schlief weiter.
    Ich träumte von Lišek. Er trug ein Lächeln und einen Purpurmantel. An seiner Seite schritt,
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