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Des Teufels Maskerade

Des Teufels Maskerade

Titel: Des Teufels Maskerade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schlederer Victoria
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Einzelheiten – eine zu große Nase, ein allzu scharfes Kinn – alles andere als ansprechend, war seinem Gesicht ein seltener Zauber zu eigen. »Ich habe auf Sie gewartet.«
    Die Vilja krächzte und flatterte auf seine Schulter.
    Abwesend strich er mit dem Zeigefinger über ihr schwarzgraues Gefieder.

    »Sind Sie gekommen, um mich zu erschießen?«, fragte er nach langem Schweigen.
    Ich sah auf die Pistole in meinen Händen. »Ich weiß es nicht«, gestand ich. Ich hatte gekämpft und ich hatte getötet, doch niemals mit klarem Kopf und kalten Bluts. Ich wusste wohl, dass da kein Unschuldiger vor mir stand: Auch er hatte im Namen seines Traums, seiner Illusion eines fernen Königreichs gemordet. Kurz meinte ich den Jüngling zu erkennen, der Böhmen in die Freiheit führen wollte. Der Preis war jedoch das Leben jenes Mannes, in dem er den Schuldigen erkannte an Leid und Unterdrückung. Mit Bedacht hob ich die Pistole, zielte zwischen Lišeks Augen.
    Er rührte sich nicht, blinzelte nicht einmal. Nur Milena schlug wild mit ihren Flügeln.
    »Lassen Sie Felix leben. Das ist meine einzige Forderung.«
    Er schüttelte den Kopf. »Ich gab der Fürstin mein Versprechen. Sie darf sich nicht von mir abwenden.«
    Er glaubte also immer noch an die Versprechungen seiner Fürstin und an sein Goldenes Böhmen. Aber was wusste er, der Fuchs, der sich durch die Jahrhunderte träumte, von dieser Welt und dieser Stadt und diesem neuen Morgen?
    Und so antwortete ich: »Es sind nur Träume. Träume sind billig, wenn sie mit dem Blut anderer bezahlt werden.«
     
     
    Zu spät vernahm ich die Geräusche aus dem Stiegenaufgang – Stiefelabsätze auf Stein; zu spät bellte ich ein »Zurück!«.
    Schon hatte Mirko die Plattform betreten – dicht hinter ihm Marius von Landsberg, dessen Handgelenk er noch immer fest umfasst hielt.
    »Unseliger!«, warf ich dem Jungen, der von Sorge und Neugier stammelte, an den Kopf.
    »Marius«, sagte Lišek leise. »Du, mein Verräter?«

    Für ein paar Sekunden schien die Zeit stillzustehen. Dann stürzte sich die Vilja flügelschlagend und mit einem wilden Schrei auf Landsberg, der auf der engen Plattform gegen Mirko taumelte; gemeinsam gingen sie zu Boden. Lišek, offenbar gewillt, die Gunst des Augenblicks zu nutzen, rannte auf die Stiegen zu. Ich schnellte nach vorn, bekam sein Hemd zu fassen, stolperte jedoch über etwas Niedriges, Pelziges – Lysander  –, was Lišek Gelegenheit bot, sich loszureißen. Jetzt stürmte er die heimtückischen Stufen hinab. Mühsam rappelte ich mich auf und nahm die Verfolgung auf. Ich rang nach Luft, jeder Atemzug fühlte sich an, als stieße man mir glühendheiße Messerklingen in die Lunge; ich lief weiter, mir schwindelte, nur noch zwei Stufen, die Tür, da vorn …
    »Halt!«, brüllte ich so laut ich es vermochte.
    Lišek erstarrte, die Hand schon auf der Klinke des schweren Kirchentors.
     
     
    Für dich, Felix, für dich, dem ich alles vergab, alles vergebe, alles vergeben werde. Für dich, den ich immer geliebt habe, auch wenn ich vorgab, dich zu hassen, dich zu verachten, dich zu vergessen. Für dich, für den ich alles tun, selbst meine Seele verschachern würde.
    Ich nahm mir keine Zeit zum Zielen.
     
     
    Der Schuss zerbrach die Stille wie feines Porzellan. Lišek schrie, taumelte und fiel. Wimmernd schleppte er sich auf Händen und Ellbogen vorwärts, schweres, dunkles Blut tropfte auf die heiligen Steine, entehrte den Boden.
    Die Vilja attackierte lautlos. Mit wilder Entschlossenheit kam sie aus der Turmstiege geflogen, stürzte sich flatternd auf mich. Ich ließ die Pistole fallen und riss die Arme hoch, suchte meine
Augen zu schützen, sie abzuwehren. Mit Schnabel und Krallen schlug sie nach meinem Gesicht, Blut strömte über meine Wangen. Ich hörte Rufe, einen Schuss – dann erklang ein Laut wie der Schrei eines todwunden Tiers.
    Milena ließ von mir ab. Einmal mehr zurückverwandelt in das Mädchen, das sie einst gewesen war, warf sie sich über ihren todwunden Gefährten.
    Ich brach in die Knie. Verschwommene Bilder und Gedanken wirbelten durch meinen Kopf: wie Mirko die Pistole von sich warf, dass die Schüsse mit Sicherheit weithin hörbar gewesen sein mussten, wie Lysander und Landsberg aus dem Turm liefen, dass ich blutete.
    Von Bedeutung war es freilich nicht mehr.
    Auf Händen und Knien tastete ich mich zu Lišek voran.
    »Nein!«, schrie Milena wild. »Rühren Sie ihn nicht an!«
    Ich ignorierte sie.
     
     
    Es tut mir

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