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Des Teufels Maskerade

Des Teufels Maskerade

Titel: Des Teufels Maskerade
Autoren: Schlederer Victoria
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statuengleich, die Fürstin, deren Rückkehr er so sehr ersehnt hatte.
     
     
    Als ich erwachte, fielen Sonnenstrahlen durch die unordentlich geschlossenen Vorhänge und zeichneten abstrakte Muster auf Teppich und Parkett. Ein paar Minuten lang gestattete ich mir den Luxus, die Risse und Linien im Plafond anzustarren, während ich den wohlvertrauten Stimmen lauschte, die aus dem Salon zu mir drangen. Lysander dozierte, und Mirko war gegenteiliger Meinung, wann immer sich Gelegenheit bot.
    Mirko. Ich war nicht naiv genug, den temporären Waffenstillstand, den wir in den letzten Tagen geschlossen hatten, als Friedensabkommen zu betrachten. Meine alten Sünden waren mir nicht vergeben, das wusste ich wohl; bald würde die Kluft, die sie unweigerlich in eine sonderbare Freundschaft trieben, zu weit klaffen, als dass sie sich noch mit Nachsicht und Lügen überbrücken ließ.
    Vor dem Badezimmerspiegel zählte ich meine Wunden. Einige der tieferen Kratzer würden Narben hinterlassen. Es schien mir nur gerecht, dass ich auch eine äußerliche Erinnerung an jenen vergangenen Morgen mit mir tragen sollte.

     
     
    »Gerade haben wir uns überlegt, ob wir uns ernstliche Sorgen um dich machen oder doch lieber noch eine Partie Schach spielen sollen!«, grüßte Mirko und salutierte aus Gründen, die sich vermutlich nur ihm erschließen mochten.
    »Neuigkeiten?«, fragte ich knapp. Pavel deckte Kaffeegeschirr auf, obwohl es kurz nach eins war.
    »Esther war gestern Abend kurz zu Besuch«, sagte Lysander. »Dem allgemeinen Konsens entsprechend, haben wir dich nicht geweckt. Trubic hat ein Telegramm geschickt, und heute Vormittag wurde ein Brief von Doktor Rosenstein für dich abgegeben. Was noch?« Er kratzte sich hinter dem Ohr. »Oh, Mirko und ich haben heute ein paar interessante Stunden damit zugebracht, uns von Professor Novak erzählen zu lassen, was sich da gestern in dem Haus beim Pulverturm zugetragen hat. Entweder er ist ein sehr geübter Lügner, oder die Centrale leistet grandiose Vertuschungsarbeit.«
    »Nicht einmal eine Meldung im Tagblatt gibt es«, stellte Mirko ein wenig beleidigt fest. »Von einer Leiche, die im St.-Veits-Dom gefunden wurde, haben wir im Übrigen auch noch nichts gehört.«
    Ich füllte meine Kaffeetasse erneut. Nein, Milena würde es nicht zulassen, dass ihr verehrter Fuchs als namenloser Niemand in einem Armengrab seine letzte Ruhe fand. Und eines Tages würde sie kommen, und ihren höchstpersönlichen Schwur, der nichts mit Politik und sehr viel mit Liebe zu tun hatte, zu erfüllen.
    Ich faltete das Telegramm auseinander. »Komm vorbei, wenn Zeit«, schrieb Felix. Kein Dankeswort, keine Entschuldigung. Damit hatte er schon immer Schwierigkeiten gehabt.
    Ich zündete mir eine Zigarette an und begann, Dr. Rosensteins Brief zu verlesen.

     
    Prag, am 6. Juli 1909
     
    Hochverehrter Baron,
    zunächst bitte ich Sie inständig, meine Entschuldigungen anzunehmen. Zu meinem tiefen Bedauern sehe ich mich gezwungen, schon heute nach Wien abzureisen, ohne Zeit zu finden, mich persönlich bei Ihnen zu verabschieden. So muss dieser Brief genügen, um Ihnen die Ereignisse, in die ich mich in bewusster Nacht verstrickt sah, darzulegen.
    Ihren Wünschen gemäß begab ich mich zum ›Schwarzen Adler‹. Alsbald stach mir eine Gruppe größtenteils jüngerer Männer ins Auge, die sich allesamt so krampfhaft vergnügt und heiter gaben, dass sie mein entschiedenes Misstrauen erweckten.
    Nach einer Weile sah ich draußen eine Droschke vorfahren, der ein distinguierter junger Mann entstieg. Kaum hatte er die Schenke betreten, bestürmten die Herrschaften ihn schon, dass ein gewisser Ctirad verschwunden sei, woraufhin der Neuankömmling auf dem Absatz kehrtmachte und mit drei Kameraden zu seiner Kutsche eilte, nicht ohne den übrigen Männern zuvor den Befehl zu geben, sich umgehend zurückzuziehen.
    So unauffällig wie ich nur vermochte, schickte ich mich an, der Kutsche zu folgen. Erst zu Fuß, in schnellem Schritt. Dann, als ich meinte, sie beinahe verloren zu haben, kam ich an einem Droschkenstandplatz vorbei. So führten sie mich – in sicherem Abstand – bis zum Pulverturm.
    Da ich nicht das Risiko eingehen und ihre Aufmerksamkeit auf mich ziehen wollte, indem ich meine Droschke ebenfalls halten hieß, konnte ich nur sehen, wie sie gemeinsam ein Wohnhaus betraten. Ich tat das Vernünftigste, was mir in diesem Moment einfiel: Ich ließ mich zur Polizeidirektion kutschieren und erzählte dort, dass eine
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