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Des Teufels Maskerade

Des Teufels Maskerade

Titel: Des Teufels Maskerade
Autoren: Schlederer Victoria
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die Gärten, oben am Vyšehrad, vorbei an der Rotunde, passierten den Ehrenfriedhof, blickten über die Festungsmauer den Hang hinab auf die Lichter einer Stadt, die uns beiden wohl zum Schicksal geworden war, wichen einem Paar mit Pudel aus, das sich lautstark über ein Theaterstück ausließ, das sie allem Anschein nach beide nicht gesehen hatten.
    Lysander spitzte die Ohren, schnupperte in den lauen Abendwind.
    »Ah, Baron. Sir Lysander«, ertönte es aus den Schatten.
    Dann trat Master Alvin Buckingham, allen Wendungen und Ungeschicken zum Trotz offenbar noch stets der Vampir vom Vyšehrad, vor uns. Er hatte seinen alten Gehrock aus dunkelgrünem Samt angelegt und hohe Stiefel. Auf dem Kopf, über den verbrannten, ärmlichen Resten seiner einstmaligen Locken, trug er seinen Dreispitz mit Feder.
    »Die Antwort ist Nein«, sagte er. Weiße Fangzähne blitzten aus der Ruine seines Gesichts. »Falls Sie gekommen sind, um mich zu fragen, ob ich Landsbergs Bemühungen, die Bruderschaft weiterzuführen, unterstützen werde.« Im Mondlicht ließ sich ein Lächeln erahnen. »Es war ein schöner Traum, solange Lišek ihn träumte.«
    »Er heißt wirklich von Landsberg?«, erkundigte sich Lysander interessiert, ehe ich auch nur daran denken konnte, wirklich wichtige Fragen zu stellen.
    »Es ist ein Name, der ihm gefällt«, erwiderte Meister Buckingham, einst Thomas Carlton. »Er verwendet ihn schon recht lange – seit dem Wiener Kongress, wenn ich mich recht entsinne.
Damals hat er ihn noch als Pseudonym für seine Bilder gebraucht.«
    »Er war Maler?«, murmelte ich verständnislos. Welchen Berufen wohl Lišek nachgegangen sein mochte, im Laufe seiner Jahrhunderte, welche Namen er für die Öffentlichkeit getragen hatte? Ich sah ihn als Diplomat vor mir, als Fechtmeister, als Bauer, der sein Feld bestellte, sah ihn durch seine Leben taumeln, den Blick beständig gerichtet auf sein Ziel; auf seine neue Zeit, die ihm endlich heraufgedämmert war – jetzt, wo die Balken unseres sinkenden Schiffs, des Kaiserreichs, zu brechen drohten. Ein paar Jahrzehnte noch, mehr gab ich der alten Ordnung nicht: Vielleicht würde sie noch zu meinen Lebzeiten bersten.
    »Baron?« Die Bernsteinaugen des Vampirs blitzten beinahe amüsiert.
    Ich schüttelte die müßigen Gedanken ab, murmelte eine Entschuldigung.
    »Ich fragte, was Sie dann zu mir führt, wenn es nicht die Neugier ist?«
    »Es gibt etwas, um das ich Sie bitten muss. Einen Gefallen.«
    »Einen großen Gefallen«, verbesserte mich Lysander unbarmherzig.
    Buckingham umkreiste mich; ich erkannte den hungrigen Blick, rüstete mich für das unerfreuliche Intermezzo, das nun bevorstand. Schon schloss mich der Vampir in eine fast zärtliche Umarmung, schon fühlte ich den scharfen, wilden Schmerz, als seine Zähne sich in meinen Hals gruben, schon …
     
     
    Ich will Ihnen ein Geheimnis verraten, Baron, ein großes Geheimnis, weil es doch keine Bedeutung mehr hat: Es spielt keine Rolle, ob man sich in Treue, oder Liebe, oder Schuld, oder nur durch ein
magisches Band an einem Menschen fesselt. Ob als Verräter, oder Freund, man bleibt doch gebunden.
     
     
    Ich lag auf Ellbogen und Knien im Staub. Ich verstand, denn wie konnte ich, gerade ich, nicht verstehen?
    Buckingham leckte sich Blut von den Überresten seiner Lippen. »Nennen Sie mir Ihre Bitte«, sagte er und lachte laut auf, als ich es tat.
     
     
    Felix trug seinen lächerlichen, der späten Stunde kaum angemessenen Panamahut und einen Spazierstock.
    »Ich hoffe, du hast dir einen interessanten Grund ausgedacht, um diese überstürzte Einladung zu rechtfertigen.« Seine Erschöpfung war ihm anzusehen, ungeachtet seines munteren Gehabes. Schon die Stiegen zu unserer Wohnung hatten ihn ein wenig atemlos zurückgelassen.
    Ich nickte. Nach weidlicher Überlegung hatte ich entschieden, nicht das Risiko einzugehen, Alvin Buckingham in das Palais Trubic und damit in Lilis Nähe zu bringen. Ich führte Felix in den Salon.
    »Sir Lysander, ich grüße Sie!«, rief er aufgeräumt, »Guten Abend, Herr …« Er zögerte. Ich merkte mit Schrecken, dass ich ihm Mirko niemals vorgestellt hatte.
    »Zdar«, erklärte der Junge mit Würde.
    Felix blinzelte; Lysander tat keckernd seine Erheiterung kund. Ich beschränkte mich auf ein Achselzucken.
    »Mir gefällt der Name«, teilte uns Mirko leichthin mit und beendete somit jede Diskussion, bevor ich sie noch hatte beginnen können.
    Buckingham, der Vampir, erhob sich von dem Kanapee.
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