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Des Teufels Kardinal

Des Teufels Kardinal

Titel: Des Teufels Kardinal
Autoren: Allan Folsom
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flog.
    Harry lenkte den gemieteten Chevy durch die vertrauten Städte Freeport und Brunswick und schließlich nach Bath hinein. Das alte Wohngebiet hatte sich praktisch nicht verändert: weiße Holzhäuser leuchteten in der Julisonne, und die großen Ulmen und Eichen standen in vollem Laub so zeitlos stattlich da wie früher. Nachdem sie an den Bath Iron Works, der Werft, auf der ihr Vater gearbeitet hatte, vorbeigekommen waren, fuhren sie langsam nach Süden in Richtung Boothbay Habor weiter, bis Harry von der Route 209 auf die High Street abbog und wenig später rechts in die Cemetery Road einfuhr, um zum Friedhof zu gelangen.
    Das Familiengrab lag auf einem grasbewachsenen Hügel mit Blick auf die ferne Bucht. Der Friedhof war genau so, wie sie ihn in Erinnerung hatten: gepflegt, ruhig, friedlich und nur von Vogelstimmen erfüllt. Ihr Vater hatte die Grabstätte unmittelbar nach Madelines Geburt von seinen Ersparnissen gekauft, als er wußte, daß sie keine weiteren Kinder bekommen würden. Das Grab bot Platz für fünf Tote, und drei ruhten schon jetzt dort: Madeline, ihr Vater und ihre Mutter, die testamentarisch verfügt hatte, sie wolle nicht mit ihrem zweiten Mann, sondern bei Madeline und dem Vater ihrer Kinder bestattet werden. Die beiden freien Plätze gehörten Harry und Danny, falls sie das wollten.

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    Früher wäre es für beide Brüder undenkbar gewesen, hier begraben zu werden. Aber die Umstände hatten sich ebenso verändert wie sie selbst. Die Ruhestätte der Familie war hübsch und friedlich, und in gewisser Beziehung war der Gedanke tröstlich, eines Tages hier mit den drei anderen vereint zu sein.
    Aber darüber sprachen die beiden nicht; darüber waren sie sich stillschweigend einig, wie es nur innig vertraute Geschwister sein können.
    Am nächsten Tag flogen sie aus Boston ab: Danny nach Rom zu-rück, Harry nach Los Angeles. Beide fühlten sich trauriger, berei-chert, klüger und verändert. Sie hatten gemeinsam eine alptraumhafte Zeit überstanden und waren mit dem Leben davongekommen. Dabei hatten sie ein verrücktes, unwahrscheinliches Team improvisiert, dem eine Nonne, ein körperbehinderter Zwerg und drei außergewöhnliche italienische Kriminalbeamte angehörten, und zum erstenmal seit ihrer Jugend wieder eng zusammengearbeitet.
    Sie hatten Marsciano das Leben gerettet und ein weiteres Massensterben Unschuldiger in China verhindert. Aber es gab auch eine betrübliche Kehrseite der Medaille: das Leid und die Tode, die sie nicht hatten verhindern können. Aber was geschehen war, ließ sich nicht mehr ändern, und sie mußten versuchen, dort weiterzumachen, wo sie aufgehört hatten, jeder in seinem eigenen Wirkungskreis: Danny mit Kardinal Marsciano und der Kirche; Harry mit der Verrücktheit, die sich Hollywood nannte, und mit Elena, dem neuen Mittelpunkt seines Lebens. Und beide mit dem neuen Bewußtsein, wieder einen Bruder zu haben.
    Am Freitag, dem 17. Juli, um fünfzehn Uhr dreißig wurde Giacomo Pecci, Papst Leo XIV, der in seinem Sommersitz Castel Gandolfo in den Albanerbergen bei Rom von bewaffneten Schweizergarden beschützt wurde, über die gewalttätigen Ereignisse im Vatikan und den Tod Kardinal Palestrinas informiert.
    Um achtzehn Uhr dreißig an diesem Abend, fast acht Stunden, nachdem er mit einem Hubschrauber in Sicherheit gebracht worden war, kehrte der Heilige Vater in den Vatikan zurück. Um neunzehn Uhr versammelte er seine engsten Berater zu einer Seelenmesse für die Toten.

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    Am Sonntag mittag läuteten alle Kirchenglocken Roms zum Zeichen der Trauer um Kardinal Palestrina. Und am Mittwoch darauf fand im Petersdom das feierliche Staatsbegräbnis für ihn statt. Zu den Tausenden von Trauergästen gehörte auch der neuernannte vatikanische Sekretär des Auswärtigen, Kardinal Nicola Marsciano.
    Um achtzehn Uhr an diesem Abend traf Kardinal Marsciano privat mit Kardinal Joseph Matadi und Monsignore Fabio Capizzi zusammen. Unmittelbar danach betete er mit dem Heiligen Vater in dessen Privatkapelle, bevor er mit ihm in den päpstlichen Gemächern zu Abend aß. Was bei diesem Essen besprochen wurde, ist nicht bekannt.
    Zehn Tage später, am Montag, dem 27. Juli, hatte Herkules sich soweit erholt, daß er aus dem Krankenhaus entlassen und zur Erholung in ein privates Kurheim verlegt werden konnte.
    Drei Tage danach wurden die gegen ihn laufenden Ermittlungen wegen Mordverdachts stillschweigend eingestellt. Einen Monat spä-
    ter wurde Herkules aus dem Kurheim
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