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Des Teufels Alternative

Des Teufels Alternative

Titel: Des Teufels Alternative
Autoren: Frederick Forsyth
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Laufen zuspielen. Sobald die gewünschten Aufnahmen auf diese Weise in einer flachen Parabel bei einem Satelliten über den USA angelangt waren, wurden sie in die NRO-Zentrale übertragen.
    Die Satelliten rasten mit 65   000 Stundenkilometern durch den Weltraum; die Erde drehte sich um ihre Achse und wies je nach geografischer Breite unterschiedliche Umfangsgeschwindigkeiten auf. Die Überlagerung all dieser Bewegungen ergab eine astronomisch hohe Anzahl von Rechenschritten, aber die Computer schafften es. Im Jahre 1980 konnte der amerikanische Präsident auf einen Knopfdruck hin Tag und Nacht jeden Quadratzentimeter der Erdoberfläche betrachten.
    Das beunruhigte ihn manchmal. Poklewski dagegen stieß sich nie daran; er war dazu erzogen worden, alle privaten Gedanken und Taten im Beichtstuhl zu offenbaren. Und die Condors glichen Beichtstühlen, mit ihm als Geistlichen, der er beinahe einmal geworden wäre.
    Während der Bildschirm hell wurde, breitete General Taylor auf dem Schreibtisch des Präsidenten eine Karte der Sowjetunion aus und tippte mit dem Zeigefinger darauf.
    »Was Sie jetzt sehen, Mr.   President, kommt von Condor fünf. Er bewegt sich gerade zwischen Saratow und Perm nach Nordosten über dem neuen Weizenanbaugebiet und dem Schwarzerdegebiet.«
    Matthews blickte zu dem Bildschirm hinüber. Der Ausschnitt eines etwa 30   Kilometer breiten Geländestreifens zog langsam vorbei. Der Boden schien kahl zu sein, wie im Herbst nach der Ernte. Taylor murmelte einige Anweisungen ins Telefon; Sekunden später verengte sich der Blickwinkel, und ein nur mehr fünf Kilometer breiter Abschnitt war zu sehen. Ein paar Bauernkaten, aus Holz gebaute Isbas, verloren in den endlosen Weiten der Steppe, schoben sich am linken Bildrand vorbei. Eine unbefestigte Straße kam ins Bild, blieb sekundenlang in der Mitte des Schirms und verschwand wieder. Taylor gab erneut leise Anweisungen, und das Bild konzentrierte sich auf einen 100   Meter breiten Geländestreifen. Die Einzelheiten traten schärfer hervor. Ein Mann mit einem Pferd tauchte auf.
    »Nicht so schnell!« befahl Taylor am Telefon. Der Film rollte langsamer ab. Condor fünf behielt Höhe und Geschwindigkeit bei; in den NRO-Laboratorien wurden die Bildausschnitte verkleinert und das Wiedergabetempo verringert.
    Das Bild rückte noch näher heran, wurde langsamer. An einem einzeln stehenden Baum stand ein russischer Bauer, der sich langsam die Hose aufknöpfte. Präsident Matthews war kein Mann der Technik und staunte deshalb jedesmal wieder. Da saß er an einem Frühlingstag in Washington in seinem Arbeitszimmer und beobachtete einen Mann, der irgendwo im Schatten des Urals an einen Baum urinierte. Der Bauer kam langsam am unteren Bildrand außer Sicht. Jetzt war auf dem Bildschirm ein mehrere hundert Morgen großes Weizenfeld zu sehen.
    »Stop!« rief Taylor ins Telefon. Das Bild wurde langsamer, blieb stehen. »Nahaufnahme.«
    Die Einzelheiten wurden größer und größer, bis der Bildschirm von etwa zwanzig jungen Weizenhalmen ausgefüllt war. Alle sahen dünn, schwach und krank aus. Matthews hatte solche Halme schon einmal gesehen; in seiner Kindheit vor fünfzig Jahren im Mittleren Westen – in einem Dürregebiet.
    »Stan?« fragte der Präsident. Poklewski, der um diese Besprechung und die Vorführung gebeten hatte, wählte seine Worte sorgfältig.
    »Mr.   President, die Sowjetunion hat sich dieses Jahr eine Getreideernte von zweihundertvierzig Millionen Tonnen zum Ziel gesetzt. Nach Sorten lauten die Planziele folgendermaßen: hundertzwanzig Millionen Tonnen Weizen, sechzig Millionen Tonnen Gerste, vierzehn Millionen Tonnen Hafer, vierzehn Millionen Tonnen Mais, zwölf Millionen Tonnen Roggen und zwanzig Millionen Tonnen Reis, Hirse, Buchweizen und Leguminosen. Am wichtigsten sind natürlich Weizen und Gerste.«
    Poklewski stand auf und trat an den Schreibtisch, auf dem noch immer die Karte der Sowjetunion ausgebreitet lag. Taylor schaltete das Fernsehgerät aus und nahm wieder Platz.
    »Etwa vierzig Prozent der sowjetischen Getreideernte – ungefähr hundert Millionen Tonnen – kommen hier aus der Ukraine und dem Kubangebiet im Süden der Russischen Republik.« Poklewski umriß die Gebiete auf der Karte. »Hier wird nur Winterweizen angebaut, also Weizen, der im September und Oktober ausgesät wird. Wenn im November der erste Schnee fällt, haben die Körner bereits ausgetrieben. Der Schnee bedeckt die jungen Pflanzen und schützt sie vor den harten
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