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Young Sherlock Holmes 1

Young Sherlock Holmes 1

Titel: Young Sherlock Holmes 1
Autoren: Andrew Lane
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Prolog
    Als Matthew Arnatt das erste Mal der Todeswolke begegnete, kam sie aus einem Fenster im ersten Stock geschwebt. Drohend und unheilvoll wie ein bösartiger Geist, den man aus seiner Flasche gelassen hatte.
    Matthew lebte noch nicht lange in der Gegend. Er streunte gerade auf der Hauptstraße des Städtchens Farnham herum, um Ausschau nach Früchten oder Brotkrusten zu halten, die vielleicht ein gleichgültiger Passant hatte fallen lassen. Eigentlich hätte sein Blick auf den Boden gerichtet sein müssen. Doch stattdessen hatte er nur Augen für die Häuser, Läden und das Menschengewimmel um ihn herum. Er war erst vierzehn und, soweit er sich erinnern konnte, noch nie zuvor in einer so großen Stadt gewesen.
    In diesem, dem wohlhabenderen Teil von Farnham, ragten die älteren Fachwerkhäuser so weit in die Straße hinein, dass sich die oberen Stockwerke wie drohende Steinwolken über den Passanten ballten.
    Die Straße war zum Teil mit glatten, faustgroßen Steinen gepflastert. Doch ein Stück weiter wurden die Pflastersteine von gestampfter Erde abgelöst, auf der vorbeitrottende Pferde und ratternde Karren Wolken von Staub aufwirbelten. Alle paar Meter lagen Pferdeäpfelhaufen herum. Von Fliegen umschwirrt, dampften einige frisch vor sich hin, andere hingegen waren schon eingetrocknet und alt und sahen aus wie dreckverklumpte kleine Strohkugeln.
    Der faulige Geruch des dampfenden Pferdedungs drang ihm in die Nase. Aber er konnte auch frisch gebackenes Brot riechen und etwas, bei dem es sich um ein Schwein handeln mochte, das gerade über offenem Feuer am Spieß gebraten worden war. In Gedanken konnte er förmlich das Fett vor sich sehen, wie es zischend in die Glut tropfte. Vor Hunger verkrampfte sich plötzlich Matthews Magen so heftig, dass er sich vor Schmerzen krümmte. Seit seiner letzten ordentlichen Mahlzeit waren schon ein paar Tage vergangen, und er war nicht sicher, wie lange er noch durchhalten würde.
    Ein fetter Mann in einem dunklen abgetragenen Anzug und mit einer braunen Melone auf dem Kopf blieb stehen und streckte Matthew die Hand entgegen, als wollte er ihm helfen. Matthew wich zurück. Er wollte keine Mildtätigkeit. Mildtätigkeit brachte ein mittelloses Waisenkind wie ihn geradewegs ins Arbeitshaus oder in die Obhut der Kirche. Und er hatte nicht vor, den Pfad zu betreten, der ihn unweigerlich in eine dieser beiden Einrichtungen bringen würde. Es ging ihm ausgezeichnet alleine. Er musste nur etwas zu essen auftreiben. Sobald er etwas Ordentliches im Bauch hatte, würde es ihm wieder gut gehen.
    Er schlüpfte in eine Gasse, bevor der Mann ihn an der Schulter packen konnte. Nachdem er dann noch einmal einen Haken geschlagen hatte und um eine weitere Ecke gebogen war, gelangte er in eine kleine Seitenstraße, die so schmal war, dass sich die oberen Stockwerke fast berührten. Man konnte glatt von einem Zimmer ins gegenüberliegende auf der anderen Straßenseite klettern, wenn man denn wollte.
    Und dann sah er die Todeswolke. Nicht, dass er zu diesem Zeitpunkt wusste, mit was er es da zu tun hatte. Das sollte er erst später erfahren. Nein, alles, was er sah, war ein Fleck. Dunkel und irgendwie bedrohlich, ungefähr so groß wie ein Hund und ähnlich wie Rauch, der aus einem offenen Fenster weht. Rauch allerdings, der sich nach eigenem Willen bewegte und einen Moment lang innehielt, bevor er seitwärts zu einem Regenrohr schwebte, wo er dann seine Richtung änderte und nach oben zum Dach hinaufglitt.
    Der Hunger war vergessen. Mit offenem Mund beobachtete Matthew, wie die Wolke über die scharfe Dachziegelkante waberte und dann verschwand. Plötzlich zerriss ein Schrei die Stille. Er war aus dem offenen Fenster gekommen. Matthew wirbelte herum und stürmte auf der Straße zurück, so schnell ihn seine unterernährten Beine trugen. So schrien Menschen nicht vor Überraschung. Nicht einmal aus Schock. Nein, so schrie nach Matthews Erfahrung nur ein Mensch, der dem Tod ins Gesicht blickte. Aber was immer auch den Schrei ausgelöst hatte, er verspürte nicht das geringste Verlangen, es mit eigenen Augen anzusehen.

1
    »Du da! Herkommen!«
    Sherlock Holmes drehte sich um, um zu sehen, wer gemeint war und wer gerufen hatte. An diesem Morgen standen Hunderte von Schülern im strahlenden Sonnenschein vor der Deepdene-Knabenschule herum. Alle in makelloser Schuluniform und mit einem ledergurtumspannten Holzkoffer oder einem Haufen vollgestopfter Gepäckstücke vor sich, die wie treue Hunde zu
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