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Der zweite Mord

Der zweite Mord

Titel: Der zweite Mord
Autoren: Helene Tursten
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hat!«
    Siv Persson schüttelte den Kopf.
    »Ich meine natürlich den alten Doktor, Hilding Löwander, den Vater von Sverker Löwander.«
    Natürlich. Liegt doch nahe, dachte Irene. Kommissar Andersson kam sich sicher genauso dumm vor, wie er jetzt aussah. Schließlich hieß das Krankenhaus Löwander-Klinik.
    »Offenbar bekam seine Frau Wind von der Affäre und verlangte, dass Schwester Tekla das Krankenhaus umgehend verlassen sollte. Das Krankenhaus gehörte nämlich Frau Löwander. Sie hatte es von ihren Eltern geerbt.«
    »Die Mutter von Sverker Löwander war also sehr reich?«
    »Ja.«
    »Und wie war sein Vater … Hilding?«
    »An Hilding Löwander kann ich mich noch sehr gut erinnern. Er war einer der Ärzte der alten Schule. Niemand wagte ihm zu widersprechen. Er operierte noch mit fast fünfundsiebzig Jahren.«
    »Und was wurde aus Schwester Tekla?«
    »Gertrud sagte, dass Hilding Löwander etwas mit Schwester Tekla gehabt hätte. Sie war etwas über dreißig, und er war fast zwanzig Jahre älter. Das Merkwürdige ist, dass sich Frau Löwander zunächst nicht weiter darum kümmerte, das sagt jedenfalls der Klatsch. Die drei fuhren sogar übers Wochenende weg und machten zusammen Ferien. Laut Gertrud wurde dieses Bild heimlich bei einer solchen Gelegenheit aufgenommen.«
    Andersson nahm das Bild wieder in Empfang und schaute es sich mit erneutem Interesse an. Siv Persson fuhr fort:
    »Löwanders waren schon viele Jahre verheiratet, als die Frau plötzlich schwanger wurde. Sie war bestimmt schon über vierzig. Damals verlangte sie auch, dass Schwester Tekla das Feld räumen sollte. Irgendwie gelang es Schwester Tekla, eine Arbeit in Stockholm zu finden. Im Herbst ’46 zog sie um. Danach hörte niemand mehr etwas von ihr, bis März ’47. Da wurde sie erhängt hier auf dem Dachboden gefunden. Sie hatte Selbstmord begangen.«
    In dem kleinen Zimmer wurde es still. Irene merkte, dass der Kommissar nicht recht wusste, wie er mit der Schwester und ihrer Geschichte umgehen sollte. Offenbar glaubte sie wirklich, die tote Schwester Tekla in der Nacht gesehen zu haben. Mehr um das Schweigen zu brechen, fragte Irene:
    »Wie sind Sie an dieses Foto gekommen?«
    »Gertrud hat es gefunden, als der alte Medizinschrank umfunktioniert werden sollte. Sie und eine Kollegin räumten die ganzen alten Medikamente aus. Da fand sie dieses Bild unten im Schrank unter einem Reservebrett. Sie wussten nicht, was sie damit anfangen sollten, daher legten sie es einfach zurück. Seither ist es gewissermaßen Geheimgut der Schwestern. Das Bild hat dort all die Jahre gelegen, und allen neu anfangenden Schwestern wurde es gezeigt. Allen hat man natürlich vom Krankenhausgespenst erzählt. Und dann hat man immer dieses Bild hervorgesucht.«
    »Um zu zeigen, dass die Geschichte wahr ist?«
    »Das ist sie auch! Gertrud hat selbst dabei geholfen, Schwester Tekla abzuschneiden. Sie hatte einige Tage oben auf dem Speicher gehangen, und schließlich war jemand … der Geruch aufgefallen.«
    »Und Sie glauben wirklich, dass sie hier umgeht?«
    »Viele haben sie in all den Jahren gesehen. Ich selbst habe sie nur gehört … heute Nacht habe ich sie zum ersten Mal gesehen.«
    Sie verstummte und sah den Kommissar aus den Augenwinkeln an. Irene beeilte sich zu fragen:
    »Was meinen Sie damit, dass Sie sie gehört haben?«
    Schwester Siv antwortete nur zögernd:
    »Die Steckbecken klappern im Spülraum, ohne dass jemand dort ist. Kittel rascheln in den Korridoren. Einmal habe ich selbst einen eiskalten Luftzug neben mir gespürt. Niemand vom Personal ist zwischen zwölf und eins gern auf den Gängen.«
    »Verstehe. Was machen Sie in dieser Zeit?«
    »Normalerweise trinken wir Kaffee. Im Schwesternzimmer der Station.«
    »Sie und die Schwester der Intensivstation?«
    »Ja.«
    »Sind Sie dann allein hier?«
    »Ja.«
    »Aber nach zwölf bekommen Sie Verstärkung von der guten Tekla?«
    »Zwischen zwölf und eins. Sie zeigt sich nie nach eins.«
    »Ein klassisches Gespenst, das sich an die Geisterstunde hält. Was passiert, wenn Sommerzeit ist? Kommt sie dann zwischen eins und zwei?«, warf Andersson ein.
    Schwester Siv war sich bewusst, dass er sich über sie lustig machte. Missbilligend verzog sie den Mund.
    Um von den Gespenstern abzulenken, fragte Irene:
    »Wie lange hat Marianne Svärd hier gearbeitet?«
    Erst hatte es den Anschein, als wolle Siv Persson nicht antworten. Nach einer Weile putzte sie sich mit einem Papiertaschentuch die Nase und
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