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Der zweite Mord

Der zweite Mord

Titel: Der zweite Mord
Autoren: Helene Tursten
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Hals?«
    »Nein. Aber sie hat einen tiefen Abdruck hinterlassen. Der Mörder hat kräftige Finger. Ich fahre jetzt in die Pathologie. Ich obduziere sie heute Nachmittag.«
    Der Kommissar versuchte es mit seiner üblichen aussichtslosen Charmeoffensive:
    »Sie können nicht schon mal am Vormittag einen Blick auf sie werfen?«
    »Nein. Bis zum Mittagessen obduziere ich mit meinen Doktoranden.«
    Die Gerichtsmedizinerin eilte mit klappernden Absätzen die Kellertreppe hinauf und ließ eine Wolke teuren Parfüms zurück.
    Irene fragte sich, was der Kommissar wohl sagen würde, wenn sie ihn darüber aufklärte, dass das Parfüm von Frau Professor Stridner Joy hieß …
    Bei dem Polizistentrio machte sich nachdenkliches Schweigen breit. Schließlich wurde es von Andersson gebrochen:
    »Außer Marianne Svärd haben heute Nacht offenbar nur noch zwei Personen in der ganzen Klinik Dienst gehabt. Dr. Löwander und die Krankenschwester … Siv Persson. Stimmt das, Fredrik?«
    »Ja. Aber sie waren nicht allein. Auf der Station liegen sechs Patienten. Plus der Alte am Beatmungsgerät.«
    »Irene und ich reden mit dem Doktor und Schwester Siv. Fredrik, du fährst ins Präsidium und schickst zwei, drei von unseren Leuten hierher. Sie sollen sich in der Gegend umhören und außerdem die übrigen Patienten vernehmen. Dann kannst du nach Hause fahren und dich hinlegen.«
    »Aber ich bin nicht müde.«
    »Kein Aber. Die Anweisung von oben ist mehr als klar. Weniger teure Überstunden!«
    Der Kommissar wedelte Stridh mit dem Zeigefinger vor der Nase herum. Der Inspektor widersprach nicht und zog ab.
     
    Dr. Sverker Löwander sah erschöpft aus. Der Schlafmangel hatte tiefe Furchen um seine Augen hinterlassen. Er schien unter seinem Arztkittel nichts anzuhaben, außerdem war er falsch zugeknöpft. Mit geschlossenen Augen saß er tief im Sessel der Bereitschaftswohnung und hatte den Kopf gegen die hohe Lehne gestützt. Die Muskeln in seinem Gesicht zuckten, und er bewegte unruhig den Kopf hin und her. Offenbar hatte er Mühe, eine entspannte Stellung zu finden. Schweigend standen Kommissar Andersson und Inspektorin Huss in der Tür und betrachteten ihn. Schließlich räusperte sich der Kommissar laut und trat ins Zimmer. Der Arzt zuckte zusammen und schlug die Augen auf. Hastig fuhr er sich mit den Fingern durchs volle Haar. Was nicht viel half. Er sah immer noch gleich verschlafen aus.
    »Entschuldigen Sie, wenn ich Sie geweckt habe. Ich bin Kriminalkommissar Sven Andersson. Das hier ist Inspektorin Irene Huss.«
    »Natürlich … wie spät ist es?«
    Der Kommissar schaute auf seine Armbanduhr. Es war eine Digitaluhr, ein Geschenk von der Tankstelle, bei der er Stammkunde war.
    »Viertel nach acht.«
    »Danke. In einer Viertelstunde kommt mein erster Patient.«
    »Wollen Sie sich heute Morgen wirklich in den Operationssaal stellen?«
    »Ja. Ich muss. Ich muss an die Patienten denken. Gott sei Dank sind für heute keine größeren Sachen geplant.«
    »Schaffen Sie das? Nach so einer Nacht?«
    Sverker Löwander warf ihm einen müden Blick zu und rieb sich das eine Auge.
    »Ich muss. Die Patienten kommen zuerst. Viele haben sich extra freigenommen. Sie würden es nicht verstehen.«
    Eine Weile betrachteten die beiden Beamten den Arzt schweigend. Schließlich zog der Kommissar einen zerknitterten Block aus der Manteltasche und begann erfolglos alle anderen Taschen zu durchwühlen. Sverker Löwander verstand, was das bedeutete und reichte ihm einen Stift aus seiner Brusttasche, einen Reklamekuli aus dunkelblauem Plastik mit einer goldenen Aufschrift: »Löwander-Klinik – für erfolgreiche Behandlung!«
    »Geht das, dass ich Ihnen ein paar Fragen stelle?«
    »Ja. Natürlich. Wenn es nicht so lange dauert. Wir können für heute Nachmittag einen Termin ausmachen. Da habe ich mehr Zeit. Nach halb fünf wäre optimal.«
    »Okay. Dann lassen Sie mich jetzt nur eine kurze Frage stellen. Warum haben Sie unter Ihrem Kittel nichts an?«
    Sverker Löwander zuckte zusammen und sah bestürzt auf seinen falsch geknöpften Baumwollkittel.
    »Danke, dass Sie mich darauf hinweisen! Das hatte ich vollkommen vergessen. Ich muss etwas anziehen, ehe ich gehe …«
    Er war bereits halb aus dem Sessel, als er wieder zurücksackte. Langsam fuhr er fort:
    »Ich hatte geduscht und dann habe ich noch im Bett gelesen. Gestern war wirklich ein anstrengender Tag mit vielen Operationen. Gar nicht zu reden von der Komplikation bei Nils Peterzén. Gerade als ich das
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