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Der zweite Gral

Der zweite Gral

Titel: Der zweite Gral
Autoren: Boris von Smercek
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Pulverdampf fiel er der Länge nach um wie ein gefällter Baum.
    Lara konnte nichts mehr für ihn tun.
    Ihr wurde schwarz vor Augen, doch sie kämpfte die drohende Ohnmacht nieder. Zuerst Emmet, jetzt Anthony. Lara biss sich auf die Unterlippe; Tränen liefen ihr über die Wangen. Am liebsten wäre sie auf die Knie gefallen, um in Schmerz und Trauer zu versinken, doch sie wusste, dass es viele Menschen gab, die auf sie zählten und ihr vertrauten. Sie half dem verletzten Greis auf die Laderampe des Lasters, wo sich bereits die anderen Sudanesen drängten. Auch Reyhan und ihr Sohn waren dort. Lara verriegelte die Klappe und zurrte rasch die Plane zu. Dann riss sie die Tür der Beifahrerseite auf und schwang sich ins Führerhaus.
    »Sind wir vollzählig?«, fragte Tanaka.
    »Ja«, antwortete Lara. Doch tief im Innern fühlte sie sich einsam und verlassen.
    Doktor Goldmann ging unruhig im Salon des Südflügels auf und ab, eines der wenigen Zimmer, die von der Zerstörung verschont geblieben waren. Er warf einen Blick auf Scheich Assad, der an einem kleinen Mahagonitisch Platz genommen hatte; er war nur noch ein Schatten seiner selbst. In den letzten fünfzehn Minuten war er um Jahre gealtert. Neben ihm saß Thomas Briggs mit geschientem Unterschenkel. Vermutlich ein Wadenbeinbruch. Ljuschkin trug einen Kopfverband. Von Donna Greenwood fehlte bislang jede Spur. Und Senator Bloomfieldwar vor Aufregung einem Herzversagen erlegen. Diese Nacht war ein einziger Albtraum.
    Ein Soldat kam herein und salutierte. »Sie wollten einen Statusbericht, Hoheit?«
    Assad nickte matt, und der Soldat erstattete Meldung. Wie es schien, hatte die Lage sich wieder beruhigt. Zwar brannte es an unzähligen Stellen, doch es gab keine Explosionen mehr, und sämtliche Eindringlinge waren aus dem Palast verjagt worden. Allerdings fehlten auch die gefangenen Sudanesen.
    »Wo steckt Leclerc?«, wollte Goldmann wissen. Er hatte ihn in dem Chaos irgendwann aus den Augen verloren.
    »Das weiß ich nicht, Doktor«, antwortete der Soldat. »Niemand weiß es.«
    »Sagen Sie ihm, dass er herkommen soll, wenn Sie ihn gefunden haben«, sagte Assad. »Das war’s. Sie können gehen.«
    Der Soldat salutierte noch einmal und verschwand aus dem Zimmer.
    Ein paar Sekunden lang lastete das Schweigen schwer im Raum. Dann sagte Goldmann: »Bei dem Angriff wurde zwar der Palast zerstört, aber nicht das Labor. Dort gab es nur leichte Schäden. Die antiseptischen Bereiche sind in einwandfreiem Zustand.« Er ließ den Blick von einem zum anderen schweifen und spürte, wie sein Glaube an den großen Durchbruch wiederkehrte. »Wir können unser Ziel immer noch erreichen, wenn wir die Koma-Patienten als Frischzellenspender benutzen«, sagte er. »Das wird einige Zeit beanspruchen, weil wir nur ihre gesunden Organe verwenden können, aber es wird funktionieren!«
    Assad fuhr von seinem Stuhl hoch. »Sind Sie wahnsinnig?«, herrschte er Goldmann an. »Die Polizei wird jeden Augenblick hier sein, außerdem ein Dutzend Reporter. Irgendwann wird einer unserer Mitarbeiter plaudern, entweder aus Angst vor Strafe oder für Geld. Dann wären wir hier nicht mehr sicher. Mit Leuten wie uns gehen arabische Gerichte nicht gerade zimperlich um. Uns bleibt nichts anderes übrig, als von hier zu verschwinden.« Er ging zur Tür und sprach mit einem dort postierten Wachmann. Dann wandte er sich wieder an die anderen. »In fünf Minuten wird ein Jeep uns am Südtor abholen und zum Hangar bringen«, sagte er. »Wenn wir erst außer Landes sind, überlegen wir, wie es weitergehen soll.«
    Doch alles in Goldmann sträubte sich dagegen, diesen Ort zu verlassen. Er hatte jahrelang nur für seine Forschungen gelebt; jetzt wollte er die Früchte seiner Arbeit ernten. Phase 1 seiner Therapie schied aus, das sah er ein. Die Organentnahme bei den Krebsopfern, das Anrühren der Zellbreie und die Extrahierung der Frischzellen-Injektionen würde viel zu lange dauern. Doch Phase 1 war nicht entscheidend wichtig. Die Maßnahmen, die dabei ergriffen wurden, dienten zur Straffung der Haut, sorgten für dichteren Haarwuchs und verjüngten den Organismus. Doch es waren keine unabdingbaren Voraussetzungen für Phase 2. Ein gesunder Körper konnte auch ohne Phase 1 steinalt werden – mithilfe der Epstein-Barr-Präparate. Bereits gestern hatte Goldmann sie vorbereiten lassen.
    Er sah Ljuschkin an. »Wie viele Prototypen der Krebs-Frequenzheilgeräte gibt es, Sergej?«, fragte er. »Abgesehen von dem im
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