Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der zweite Gral

Der zweite Gral

Titel: Der zweite Gral
Autoren: Boris von Smercek
Vom Netzwerk:
verantworten, Tom. Aber helfen Sie mir, diese Leute zu retten!« Sie sah ihn mit flehendem Blick an, spürte aber, dass er sich noch immer nicht entscheiden konnte. »Haben Sie ein Interpol-Team dabei?«, fragte sie. »Wenn ja, machen wir es auf Ihre Art. Nur beeilen Sie sich! Wenn Sie nicht sofort handeln, wird es zu spät sein!«
    Tanaka kämpfte mit sich. In seinen Augen erkannte Lara, dass es gar kein Interpol-Team gab, das ihnen helfen konnte. Tanaka musste sich entscheiden zwischen Recht und Gerechtigkeit. Beides zugleich war unmöglich.
    Er kniete sich zu Lara und schnitt ihr die Fesseln durch. »Das kostet mich meine Karriere«, murmelte er.
    »Von mir wird es niemand erfahren«, erwiderte Lara.
    Sie robbte zu der schwarzen Plastikbox. Tanaka folgte ihr. »Und was jetzt?«
    »Was wohl?« Lara grinste ihn an. »Der Showdown.«
    Emmet betrachtete die Pistole in Donna Greenwoods zitternden Händen. »Ich habe nicht gewollt, dass es auf diese Weise endet«, wisperte sie.
    In diesem Moment erschütterte eine Welle von Explosionen das Gebäude. Irgendwo hinter Donna fegte eine Feuerwolke quer durch den Gang. Gleichzeitig brach über ihnen die Decke ein.
    »Weg hier!«, brüllte Emmet. Aber er ahnte, dass es zu spät war.
    Lara Mosehni hatte die Unterhaltung über ihr Headset mitbekommen. Jetzt war die Funkverbindung plötzlich abgerissen. Sie wusste, was das zu bedeuten hatte, und fühlte sich wie unter Schock.
    »Wohin wollen die?«, fragte Tanaka, der neben ihr auf dem Dach lag und durch ein Nachtsichtgerät die Flüchtenden im Palastgarten beobachtete.
    Lara verdrängte ihren Schmerz. Sie musste sich konzentrieren, damit wenigstens Reyhan, Anthony und die anderen eine Chance hatten. »Sie laufen zur Ostmauer«, sagte sie.
    »Da ist nirgends ein Ausgang!«
    »Noch nicht. Aber bald.« Lara deutete auf das schwarze Plastikgehäuse vor sich. »Das hier ist der letzte Knopf. Wenn ich den drücke, wird in die Mauer da hinten ein hübsches kleines Loch gesprengt.«
    »Worauf warten Sie noch?«
    »Ich will nicht, dass die Palastwachen zu früh erkennen, was hier eigentlich gespielt wird. Kommen Sie mit!«
    »Wohin?«
    »Zum Auto.«
    Lara schlüpfte durch die Dachluke und rannte das Treppenhaus hinunter. In einer Querstraße hatte sie einen geklauten Lkw geparkt. Sie stieg ein, ließ den Motor aufheulen und fuhr los, kaum dass Tanaka auf dem Beifahrersitz Platz genommen hatte. Die Scheinwerfer schaltete Lara nicht an. An der Ecke riss sie das Steuer nach links. Ächzend und polternd ging der Laster in die Kurve. Lara trat das Gaspedal bis zum Anschlag durch und folgte jetzt der Straße entlang der Nordmauer des Palasts. Sie ließ die letzten Häuser von al-Quz links hinter sich. In einiger Entfernung erkannte sie einen Flugzeughangar. Dahinter erhoben sich die vom Mond beschienenen Tihamat-as-Sam-Berge – das Ziel ihrer Flucht.
    Wenn wir es bis dorthin schafften, sind wir in Sicherheit, dachte Lara. »Sprengen Sie die Mauer in die Luft!«, rief sie, um den Motorenlärm zu übertönen. »Wir sind gleich da!«
    Tanaka, die Fernbedienung auf dem Schoß, drückte den Knopf.
    Nichts geschah.
    Anthony Nangala kauerte mit den anderen hinter einer Gruppe von Ziersträuchern. Die Sudanesen unterhielten sich flüsternd. Einige von ihnen weinten leise, vor allem die Kinder. Ali Abdallah hielt sich genauso wacker wie seine Mutter.
    »Warum dauert das so lange?«, raunte Nangala nervös.
    »Keine Ahnung«, sagte Reyhan. »Der Plan sah vor, dass diese Mauer in die Luft gejagt wird, wenn wir hier sind.«
    »Die Sträucher bieten zwar Sichtschutz, aber Kugeln können sie nicht abhalten. Wenn die Wachen uns entdecken, sehen wir alt aus.«
    »Deshalb müssen wir uns unauffällig verhalten und beten.«
    Nangala wollte etwas erwidern, hielt jedoch inne, als er vom Palast her Geräusche vernahm. Vorsichtig lugte er zwischen zwei Sträuchern hindurch. Eine Gruppe von sechs oder sieben Wachen näherte sich im Laufschritt.
    »Beten ist eine ausgezeichnete Idee«, zischte er. »Denn wenn Allah oder der christliche Gott oder wer auch immer nicht bald ein Wunder geschehen lässt, werden wir alle sterben.«
    Lara riss das Steuer nach rechts, ohne vom Gas zu gehen. Mit kreischenden Reifen umfuhr sie den Nordost-Turm, der wie ein schwarzer Finger in den Himmel ragte – unbemannt, denn die Wachen hatten den Turm schon nach der ersten Explosion verlassen, um zum Palast zu eilen. Das hatte Lara von ihrem Beobachtungsposten aus
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher