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Der Zimmerspringbrunnen

Der Zimmerspringbrunnen

Titel: Der Zimmerspringbrunnen
Autoren: Jens Sparschuh
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im Bereich Flurwandregale, unten) Stichproben, kam dann aber ziemlich schnell davon ab. Die Gehwege und Hauptplätze waren freigeräumt. Hätte ich jetzt, in letzter Minute, damit angefangen, unterm Schrank usw. den Staub, der sich dort zu flocken begann, aufzuwirbeln – die Arbeit von Tagen wäre zunichte gewesen.
    So ließ ich das also und setzte mich in die Küche. Im Radio kam mein Lieblingslied, ein englisches: Words are very unnecessary. Ich ging in mich. Was war denn los mit mir? Nichts. Jedenfalls nicht viel. Ich hatte wieder mein altbekanntes Ball-der-einsamen-Herzen-Gefühl. Mit einiger Sorge sah ich in die Zukunft, sah ich der Begegnung mit Julia entgegen.
    In den Tagen seit ich wieder zu Hause saß, hatten sich die wenigen Wörter, mit denen ich meine letzten Vorweihnachtsverkaufsgespräche bestritten hatte, verloren. Sie waren verschwunden. Sie hatten wahrscheinlich wie ich ihren wohlverdienten Jahresurlaub angetreten. Ich vermißte sie nicht, gar nicht. Dennoch, bei der zu erwartenden Aussprache mit Julia würde mir das eine oder andere sicher fehlen.
    Zur Vergewisserung sagte ich Tisch zum Tisch, Glas zum Glas, Zigarette zur Zigarette, Asche zur Asche, Staub zum Staub. Um ein menschliches Elementargeräusch zu hören, lachte ich in der Küche die Wand an: »Ha! Ha!«. Die Betonwand gab es kurz und trocken zurück.

    24. Dezember.
    Über den genauen Hergang der Ereignisse am Vormittag des 24. Dezember kann ich nur mutmaßen. Tatsache ist, ich hatte mir den Wecker gestellt. Ich wollte rechtzeitig alle erforderlichen Maßnahmen einleiten können.
    Es muß passiert sein, während ich die Frührunde mit Freitag machte. Ich hatte sie auf 10 Uhr verschoben – das konnte Julia nicht wissen (wie ich mir später immer wieder sagte). Die Gründe für diese Verschiebung waren rein praktischer Natur. Ich wollte, nachdem ich die Küche am frühen Morgen in Startposition gebracht hatte, gegen halb 11 mich duschen und rasieren, um dann, genau zur Zeit, frisch rasiert und einsatzfähig zu sein.
    Wieder keine Post im Kasten, zumindest nichts von Julia.
    Als wir, es muß gegen halb 11 gewesen sein, die Wohnung erreichten (atemlos, denn ich hatte mich beeilt – wenn es überhaupt noch eine Chance gab, dann war das ein Anruf!), merkte ich, wie Freitag unruhig wurde. Er bellte und lief sofort Richtung Hobbyraum. Ich folgte ihm. Erst unschlüssig. Lief dann den Weg, den ich schon so viele Male in meinem Leben gelaufen war, mit Schritt für Schritt schneller werdenden Schritten, stand schließlich vor der unscheinbaren Tür, klinkte den Türgriff – Meine Augen waren geblendet!
    Auf der Werkbank, unter Lamettasilber, ein Weihnachtsgesteck! Mitten darin stak ein Schokoladenweihnachtsmann. Es lagen noch ein Paar Socken da und eine grüne Strickmütze. Auch eine Tüte mit Marzipankartoffeln (… das wußte sie also noch!).
    »Mensch, Freitag!« schrie ich, »Mensch …«
    Rasend suchte ich die Wohnung ab. Nichts.
    Freitag sah schuldbewußt zu mir herauf. Unter Tränen streichelte ich ihn, er konnte ja nichts dafür.
    Beim Hochnehmen der Socken entdeckte ich die Karte, eine Klappkarte. Ich klappte sie auf.
    »Ich habe Dich sehr lieb!« stand da; ich setzte mich hin. Und, weiter unten, unter dem goldigen Tannenzweig, las ich die Worte: »Aber ich kann nicht mit Dir leben! – Julia«
    »Aus«, sagte ich zu Freitag, der sich gerade über den Weihnachtsmann hermachen wollte – »Aus!«
    Ich erwachte auf dem Sofa.
    Ich hatte mir etwas antun wollen. Aber was?
    Ich nahm mir eine Zigarette und einen Keks. Der Keks krümelte. Das durfte er jetzt. Ich ging krümelnd zum Telefon und tippte Connys Nummer ein. »Wir sind im Moment nicht da. Hinterlassen Sie –«
    Querfeldein streifte ich durch die Wohnung. Die große schwarze Reisetasche fehlte. Ebenso, soweit ich das überblickte, einige Sachen aus Julias Schrank. Aus dem Dokumentenfach in der Schrankwand war Julias BahnCard verschwunden.
    Ich legte mich aufs Sofa – sprang wieder auf. Ich durfte mich jetzt auf keinen Fall hängenlassen. Also zündete ich eine Kerze an und machte, obwohl es noch viel zu früh dafür war, Bescherung mit Freitag. Viel hatte ich nicht. Aber er schien sich zu freuen. Richtige Stimmung wollte natürlich nicht aufkommen, obwohl ich die Übergardinen, damit es ein bißchen dunkler wurde, zugezogen hatte. Ich legte die Kreuzchorplatte auf, dann verzog ich mich zu Freitag vor die Glotze. Aber ich konnte mich nicht richtig auf den japanischen
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