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Der Zimmerspringbrunnen

Der Zimmerspringbrunnen

Titel: Der Zimmerspringbrunnen
Autoren: Jens Sparschuh
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Gesellschaft, in die Sie hineingeraten waren. Nur – einfach so herumzusitzen, die Hände in den Schoß zu legen: Das war Ihre Sache nicht. Sie wollten … nein, Sie mußten etwas bewegen! – Das kann ich sehr, sehr gut verstehen, Herr Lobek. –
    Also, wenn Sie damit einverstanden sind: wir haben uns überlegt, daß wir Sie erst mal zu Strüver stecken, ins Verkaufsseminar. Dort einfach die Augen offenhalten. Bei Strüver können Sie alles lernen.
    Jetzt müssen Sie mich aber bitte entschuldigen –«
    Nachdem er gegangen war, um, wie er es sagte, noch ein bißchen »Kontaktpflege« zu treiben, ging auch ich gemessenen Schritts davon, Richtung WC . Dort stürzte ich in die erste Kabine und spie den rosig-grauen Klops ins Klosettbecken. Schwer atmend hing ich über dem Becken. Meine Kiefermuskeln zitterten.
    Ich wollte ihn noch fortspülen. Aber er ließ sich nicht so einfach bewegen. Er schwamm eigensinnig oben. Erst nach der dritten oder vierten Spülung verschwand er endlich im gurgelnden Ausfluß.

– Hurra!
Erste, wenn auch unerwartete Bestätigungen –
    An dieser Stelle muß ich bekennen: Bis dahin hatte ich mir in meinem Leben über das Thema »der Zimmerspringbrunnen an und für sich« noch keine großen Gedanken gemacht. Das war völlig neues Terrain!
    Insofern aber natürlich nichts Neues – in den zurückgelegten letzten drei Jahren hatte sich ja alles fortlaufend erneuert. Ohne auch nur den Fuß vor die Tür zu setzen, hatte ich mein altes Heimatland verlassen (bzw. – es mich). Eines Tages stand, wie von einem Flugzeug abgeworfen, der Container einer neuen Versicherung auf der grauen Wiese vor unserem verwitterten Neubaublock (das »Basislager«, wie ich es in meinem Protokollbuch nannte). Von dort aus schwärmten die Missionare in die umliegende Gegend aus. Auch die Sparkasse war eine andere geworden, sie nannte sich jetzt Bank und schickte mir diskret, nach einem unergründlichen Bankgeheimnis, immer neue Geheimnummern für mein fast leeres Konto zu (die ich an immer neuen Geheimplätzen deponierte, wo sie vor jeglichem Zugriff, auch vor meinem, sicher waren). Sogar die Postanschrift hatte sich von heute auf morgen geändert. Ich hatte eines Morgens mit Freitag die kleine Runde gemacht; irgend etwas war anders als sonst. Da bemerkte ich: Heimlich, über Nacht sozusagen, waren wir aus unserer Straße umgezogen worden. Sie trug jetzt einen anderen Namen.
    Schon wenn ich überall diese obszönen schwarz-roten Werbeaufkleber las: Jetzt Neu, sah ich schwarz! Und zugleich rot! Ich kam mir überhaupt vor wie der letzte Mohikaner und pfiff, wenn ich Freitag ausführte, leise mein altes Pionierlied: »Überall, wohin man schaut, wird aufgebaut …« (Den Bauarbeitern schickte ich finstere Blicke zu!) – Der letzte Mohikaner, die einzige tapfere Rothaut weit und breit – denn auch Julia war ja nicht mehr die alte, sie hatte sich zusehends verjüngt, zumindest äußerlich (kein Wunder, daß ich da alt aussah!), wobei sie ansonsten allerdings einen merkwürdigen, einstudiert wirkenden Ernst an den Tag legte: als sei ihr bisheriges Leben – unser ganzes bisheriges Leben! – nur eines auf Probe gewesen.
    Einmal, als ich mich beim Frühstück – wie schon so oft! – über die Westschrippen ärgern mußte, ich nannte sie nur verächtlich »die importierten Luftikusse« und hatte dabei eigentlich auf Julias, zumindest nickende, Zustimmung gehofft, sagte sie zu mir, mit sehr ernstem Unterton plötzlich, sagte sie (ich habe das im Protokollbuch festgehalten): »Wenn man sich von vornherein auf die Seite der Verlierer stellt, ist man natürlich immer im Vorteil – als moralischer Sieger!«
    An diesem Satz habe ich sehr lange herumgekaut. Und richtig geschluckt habe ich ihn, offen gesagt, nie.
    Bei den anderen Panta-Rhein-Kollegen vielleicht weniger, bei Direktor Boldinger jedoch spürte ich deutlich von Anfang an: Zimmerspringbrunnen waren für ihn mehr als nur x-beliebige Produkte. Sie waren ein leise plätscherndes Nein zur rasenden Gesellschaft. Und ihre Botschaft lautete: Halte ein! Sei doch ganz ruhig. Alles fließt dahin …
    So hielt ich mich denn strikt an Boldingers Weisung und hielt Augen und Ohren in Strüvers Seminar offen, auch wenn dessen geschäftsmäßige Art, mit den Dingen umzugehen, mich zunächst befremdete. (Ich gebe es im folgenden so wieder, wie ich es im Protokollbuch festgehalten hatte.)
    Seminarraum II , 9.15 Uhr. Thema: Training Standardsituationen. Anschließend:
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