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Der Zimmerspringbrunnen

Der Zimmerspringbrunnen

Titel: Der Zimmerspringbrunnen
Autoren: Jens Sparschuh
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Filzbach (Stuttgart); er versucht, dabei Herrn Nöstich verschmitzt und aufmunternd anzublicken …
    »Stop!« bricht Strüver, sichtlich entnervt, ab. »Machen wir mal eine Zwischenauswertung. Sonst vergessen wir ja all Ihre Glanzlichter! Anders gefragt: Was kann in den ersten 15   Sekunden alles falsch gemacht werden? Dafür war das hier ja geradezu eine Lehrvorführung.«
    Bevor jemand etwas sagen kann, versucht Filzbach (Stuttgart) sich zu rechtfertigen: »Draußen klappt es ja! Aber hier, im Seminar, vor Zuschauern – da hab ich Streß. Ich bin doch kein Schauspieler.«
    »So?« fragt Strüver, »das ist aber schade.«
    »Außerdem unterbrechen Sie immer!« sagt Filzbach leise, seine Stimme zittert dabei.
    »Herr Filzbach – draußen sind Sie doch auch nicht ungestört, da werden Sie laufend unterbrochen!
    – Ist jemandem etwas aufgefallen?«
    Jemand meldet sich: Die Verabredung am Ende sei nicht sehr überzeugend gewesen …
    »Richtig«, sagt Strüver, »das war grundfalsch.«
    Da Filzbach (Stuttgart) ihn nur verständnislos anblickt, gibt Strüver gleich selbst eine Erklärung: »Wenn Sie so unbestimmt ins Blaue hinein fragen, ob Sie nicht irgendwann mal wiederkommen sollen – wissen Sie, was der Kunde Ihnen da völlig zu recht antwortet? ›Ach, lassen Sie mal‹, sagt er, ›das muß nicht sein, ich brauche doch gar nichts.‹ – Herr Filzbach, der Kunde sucht in diesem Vorstadium spontan den Ausweg. Und Sie, mit Ihrer, entschuldigen Sie schon, herzigen Frage, haben ihm den Fluchtweg gezeigt! –
    Was fragen wir also?«
    Da niemand antwortet, gibt Strüver die Antwort: »Die richtige Frage könnte sein: ›Ich sehe, daß es Ihnen heute schlecht paßt. Ich kann Ihnen folgende Ausweichtermine vorschlagen: am nächsten Dienstag, nach 18 Uhr, oder am nächsten Donnerstag, da schon ab 17 Uhr.‹
    Was gewinnen wir damit?
    1. Der Kunde (und das ist psychologisch in dieser Phase sehr wichtig) hat die Freiheit, sich zu entscheiden.
    2. Die grundsätzliche ›Ob-überhaupt‹-Entscheidung aber haben wir ihm mit unserer Detailfrage schon unauffällig abgenommen. Das ist schon gegessen.
    Nun ist der Kunde am Zug. Er kann sich entscheiden. Wir haben ihm die Wahl gelassen, Dienstag oder Donnerstag. Wir haben ihm die Initiative zugespielt. Und wenn er sich dann, meinetwegen halbherzig, ein »Na gut, kommen Sie Donnerstag« abringt, hat er sich entschieden, hat er uns eingeladen. – Das kommt dann übrigens gleich in die Kunden-Vorlaufmappe! Wenn wir dann Donnerstag in der Tür stehen, können wir nämlich sagen: ›Guten Abend, Sie hatten mich für heute eingeladen …‹ Ein Punkt für uns! (›Wir sind nun extra gekommen …‹ usw., schlechtes Gewissen beim Kunden, wenn er jetzt Nein sagt.)
    Vergessen Sie nicht: In dieser Anlaufphase will der Kunde nur eines: uns loswerden. Und wir reichen ihm mit der Dienstag-Donnerstag-Frage den rettenden Strohhalm! Damit wird er uns ja erst mal los. Aufgeschoben, nicht aufgehoben, klar.
    Eine klassische Eröffnung! Scheinbare Niederlage – wir haben für den Anfang nichts erreicht –, kommen aber als ›alte Bekannte‹ ein paar Tage später wieder.
    Aber – das war ja nicht alles. Was war vorher schon falsch?«
    »Der Koffer!« ruft jemand.
    »Ja, richtig«, bestätigt Strüver, »der Koffer.«
    »Ach ja«, gibt Filzbach (Stuttgart) schuldbewußt zu und wechselt den Koffer schnell von der linken in die rechte Hand.
    »Nun mal nicht so schnell, Herr Filzbach!« bremst ihn Strüver, »das war ein ganz entscheidender Fehler gleich am Anfang.« Er nimmt Filzbach das Köfferchen aus der Hand und schreitet zur Tür. »Herr Nöstich, wenn Sie bitte noch mal kommen wollen.«
    Nöstich baut sich wieder in der Tür auf.
    »So – vor uns steht nun der Kunde. Wie ein Felsbrocken.«
    Irritiert sieht Nöstich an sich herunter.
    »Seine Hand liegt auf der Klinke oder klebt am Türrahmen. Die muß gelöst werden! Wenn wir nun so wie Sie, Herr Filzbach, ihm einfach die Hand hinschieben, wird er das als Angriff empfinden, als sehr aufdringlich zumindest. Bedenken Sie: Sie geraten damit in den intimen Nahbereich des Kunden, 0   –   45   cm! Sein Adrenalinspiegel steigt – Fluchtgedanken! Wir gehen also so vor: Der Koffer wandert vor den Augen des Kunden von unserer rechten Hand (Strüver demonstriert es im Zeitlupentempo) in die linke Hand. Damit haben wir ein Signal gegeben, wir haben eröffnet. Der natürliche Abschluß dieses Handlungsbogens – und dem kann sich
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