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Der Zimmerspringbrunnen

Der Zimmerspringbrunnen

Titel: Der Zimmerspringbrunnen
Autoren: Jens Sparschuh
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der Kunde nicht entziehen! –   : Unsere auf diese Weise freigewordene Hand wandert wie von selbst Richtung Kunde, der nun seinerseits automatisch seine Hand lösen wird …«
    »Und – war sonst noch was falsch?« will Filzbach (Stuttgart) kleinlaut wissen.
    »Nein, kaum. Wenn wir davon absehen, daß Sie sichnicht vorgestellt haben, daß Sie als anonyme Person unerlaubt in eine fremde Wohnung eingedrungen sind – ein Fall für den Staatsanwalt ja eigentlich! –, dann, Herr Filzbach, dann war alles goldrichtig.«
    Filzbach (Stuttgart) nickt resigniert.
    Einen Moment lang: ratlose Stille.
    »Warum üben wir denn das? Wir üben das, damit Sie über die Schwelle der Wohnungstür kommen, damit Sie Ihre Schwellenangst verlieren. – Sie müssen über die Schwelle kommen!« Strüver hält seine Hände wie ein buddhistischer Mönch vor der Brust gefaltet.
    »Gut, nehmen wir mal an, Sie haben bis jetzt alles richtig gemacht. Der Kunde bittet Sie in seine Wohnung. Das, was bisher so unerreichbar und fern wie der Jupiter war, rückt in greifbare Nähe: die Sesselgruppe im Wohnzimmer. Dort wollen Sie hin, dort müssen Sie hin. Dort wird der Kaufvertrag unterschrieben.
    Ich gehe mal davon aus, daß Sie – wie sich das gehört – den Wohnungsinhaber vorangehen lassen. Was passiert auf diesem Weg ins Wohnzimmer?«
    »Ich konzentriere mich auf mein Verkaufsgespräch.«
    »Mh. – Sie haben aber viel Zeit, bedenken Sie das! Das sind vielleicht 10 bis 15   Sekunden.«
    »Ich überlege mir, wie ich das Gespräch anfangen könnte.«
    »Aha. Das hätten Sie eigentlich schon vorher tun können. – Aber nun überlegen Sie mal: Der Kunde führt Sie durch seine Wohnung. Sie sind schon über die Schwelle. Sie sind in der Welt des Kunden. Da sind lauter Anhaltspunkte links und rechts. Gehen Sie nicht achtlos daran vorbei! Dort hängt eine Fotografie vom Griechenlandurlaub, hier sehen Sie einen Strauß vertrockneter Strohblumen. Wie eine Kamera nehmen Sie das alles auf –abspeichern! Das muß in Ihrem Hinterkopf sein. Alles unauffällig natürlich, sonst denkt er noch, wir sind Einbrecher.
    Ganz wichtig hier: Sie betreten das Wohnzimmer – und treffen in diesem Moment schon mal eine Vorauswahl, wo der Zimmerspringbrunnen stehen könnte. Das brauchen Sie zwar erst später. Wenn es aber dann ernst wird, müssen Sie es parat haben. Nicht wie aus der Pistole geschossen – nein, ein kurzer prüfender Rundumblick … das muß wie eine Eingebung kommen, verstehen Sie. Als hätten Sie es gerade eben entdeckt: ›Dort, dort könnte ich mir einen Zimmerspringbrunnen aber sehr reizvoll vorstellen.‹ So in etwa.
    Aber soweit sind wir ja noch lange nicht.
    Herr Nöstich – übernehmen Sie mal bitte wieder unseren Vertreter. – Ich will mal nur eben noch die Sesselgruppe aufbauen.« Strüver rückt ein paar Stühle zusammen, so daß ein »Sofa« und drei »Sessel« entstehen.
    »Aufpassen, Herr Filzbach!« flüstert Strüver, als Nöstich diesem nun einen Platz anbietet. Strüvers Augen: ein schmaler Beobachtungsspalt. Filzbach (Stuttgart) wirkt für einen Moment unschlüssig, setzt sich dann aber schnell auf einen Stuhl. Strüver atmet erleichtert aus. »Ich hoffe, Sie haben das jetzt nicht nur zufällig richtig gemacht.« Filzbach (Stuttgart), die Augen geschlossen, schüttelt konzentriert den Kopf.
    Strüver, ans Auditorium gewandt: »Unser Vertreter sitzt jetzt also rechts neben dem Kunden. Das wird nachher wichtig sein, wenn es ans Unterschreiben geht. Nur aus dieser Position wandert der Kugelschreiber ganz von selbst, ohne daß Verrenkungen nötig sind, in die Hand des Kunden. Säße er links vom Kunden, müßte der Kugelschreiber den weiten Weg an der Vorderfront desKunden vorbei zurücklegen. Dabei wird auch der Blickkontakt Kunde – Vertrag unterbrochen. In dieser entscheidenden Phase darf es aber keine Unterbrechungen mehr geben. Das wäre nur Zeit für Einwände, Zweifel, Ausflüchte des Kunden, die wir, so dicht vor dem Ziel, unbedingt minimieren müssen.
    So. Aber Sie sitzen ja erst mal da und wollen sich in aller Ruhe … Halt! War bei Ihnen nicht noch der Fernseher an, Herr Nöstich?«
    »Mh, ja«, erinnert sich jetzt auch Herr Nöstich.
    »Was läuft denn gerade, wenn man mal fragen darf?«
    »Die Sendung mit der Maus!« Nöstich grinst.
    »Hilft uns das jetzt weiter?« fragt Strüver – irritiert blickt er zu Filzbach hinüber, dessen Gesicht sich jetzt aus unerklärlichen Gründen aufgehellt
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