Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Zeitspieler

Der Zeitspieler

Titel: Der Zeitspieler
Autoren: A. E. van Vogt
Vom Netzwerk:
dachte Cargill. Aber wie wirkt sich das auf die Schatten aus? Es kam ihm nicht zum erstenmal in den Sinn, daß diese Schattensupermänner die Energie, die sie gezähmt hatten, nur zum Teil verstanden. Vielleicht würde ihre Konzentrierung auf die positive Seite des Lebens sich noch als unklug erweisen. Sie bemühten sich um ein Leben ohne Beschränkung – andererseits stellte möglicherweise gerade das das Gleichgewicht zwischen positiv und negativ her, zwischen richtig und falsch, zwischen Ursache und Wirkung, zwischen Verantwortung und keiner Verantwortung.
    In einem gab es jedoch keinen Zweifel – in dieser Sache wurden sie mißbraucht. Seine Gedanken wanderten weiter. Er war bis jetzt so vertieft gewesen, daß er gar nicht gemerkt hatte, daß aus der Phantasie Wirklichkeit geworden war. »Lan Bruch?« fragte er laut. »Lan Bruch?«
    Der Ältere sagte etwas, das Cargill nicht hörte. Er dachte, wenn Lan Bruch tatsächlich aus der Zukunft gekommen war, dann war dieser Teil seines Traumes echt! Es war seine erste Bestätigung und deshalb konnte ihre Wichtigkeit gar nicht überschätzt werden. In einem Atemzug war sein Erlebnis zu einem Geschehen in der Raumzeit irgendwo geworden. Er durfte nicht vergessen, daß das Raumzeitkontinuum Merlikas noch nicht existierte. Merlika würde nicht möglich werden, bis die Zwischner ihren Angriff erfolgreich durchgeführt hatten.
    Diese Erkenntnis ließ Cargill schaudern. Denn alles bewegte sich in diese Richtung, auf diese Zweckerfüllung hin. Und doch bestand nach wie vor kein Zweifel daran, daß die Vernichtung der Schattenstadt von Grund auf unrecht wäre. Die Grundlage dafür war aber bereits geschaffen: im kritischen Augenblick in der Geschichte der Schatten-Zwischner Zeitalters hatte Morton Cargill, konditionierter Sklave der Zwischner, eine Position in Schattenstadt inne, die es ihm ungehindert ermöglichte, seine verräterische Tat auszuführen. Es brauchte nur noch die Losung gegeben zu werden.
    Sein Vorgänger sagte: »Es ist schon halb eins. Ich lasse Sie jetzt allein, damit Sie sich mit Ihrem Amt vertraut machen können. Nehmen Sie ruhig die Hilfe Ihrer Mitarbeiter in Anspruch. Sie finden sie im Vorzimmer.« Er gab Cargill die Hand.
    »Vielleicht brauche ich Ihren Rat noch«, meinte Cargill. »Besuchen Sie mich doch einmal.«
    Da der Ältere sich bereits umdrehte, sah er nicht, wie Cargill diese, seine eigenen Worte aufnahm. Besuchen Sie mich doch einmal! Die Losung, das Signal, das ihn wie eine Marionette zum Kraftwerk führen würde. Und er hatte sich diese Losung selbst gegeben!
    Nachdem der andere gegangen war, ließ Cargill sich in seinen Sessel fallen. Er empfand eine widerwillige Bewunderung: welch ausgeklügelter Einfall, sich selbst die Losung zu sagen! Da konnte es ja nicht schiefgehen. Ein schlaues Ding, der menschliche Geist. Wie geschickt er diese Losung als ganz gewöhnliche Höflichkeitsfloskel verwendet hatte. Jedenfalls blieben ihm noch über elf Stunden. Der Angriff war also für Mitternacht geplant, dachte er.
    Er stand auf, als er sich erinnerte, was die Stimme aus der leeren Luft in der Therapiezelle zu ihm gesagt hatte: daß der Körper nur auf die Eindrücke tatsächlicher Geschehnisse mit endgültiger Bestimmtheit reagierte. Die Losung zum Ausschalten des Kraftwerks hatte er bekommen. Er wußte, wieviel Zeit er noch hatte. Er kannte die tatsächlichen Geschehnisse. Es blieb nur noch eine Frage: Wie hatten die Schattentherapeuten auf Morton Cargills Verschwinden aus der Therapiezelle reagiert? Es mußte sich doch irgendwo eine Niederschrift in den Akten befinden.
    Er hatte keine Mühe, sie in der Kartei in Grannis' Büro zu entdecken. Mit bleichem Gesicht las er die Anmerkung auf der Karte mit seinem Namen:
    Morton Cargill. Empfohlene Therapie: In der Gegenwart von Betty Lane getötet zu werden. Und darunter: Therapie um 9.40 Uhr ausgeführt. Cargill wirkte ungewöhnlich gefaßt.
    Das war alles. Offenbar waren Hinrichtungen wie diese so alltäglich, daß nähere Einzelheiten nicht eingetragen wurden. Die Karteikarten enthielten nur nackte Tatsachen.
    Trotz aller verzweifelter Bemühungen war Morton Cargill also doch wieder in der Therapiezelle gelandet. Und ohne daß sich die Schatten seiner Ausbrüche überhaupt bewußt gewesen waren, wurde er zur vorhergesehenen Zeit als Therapie für Betty Lane getötet. Was war mit der Leiche geschehen? Es wurde nicht erwähnt.
    Cargill versuchte sich aus seiner Depression zu lösen. Ich glaube es nicht,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher