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Der Zeitdieb

Der Zeitdieb

Titel: Der Zeitdieb
Autoren: Terry Pratchett
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Überraschung, und ich verspreche, dir kein Leid zuzufügen.«
    »Du versprichst, mir kein Leid zuzufügen?«
    »Ja, das verspreche ich«, erwiderte Lobsang mit feierlichem Ernst.
    »Gut. Du brauchtest nur zu fragen:« Lu-Tzes Lächeln wuchs in die Breite.
    »Was? Ich habe gefragt, und du hast mir keine Auskunft gegeben!«
    »Du brauchtest nur zum richtigen Zeitpunkt zu fragen, Wunderknabe.«
    »Und ist dies der richtige Zeitpunkt?«
    »Es steht geschrieben ›Was du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf morgen‹«, sagte Lu-Tze. »Sieh nun die fünfte Überraschung!«
    Er griff in eine Tasche seiner Kutte.
    Lobsang schwebte näher.
    Der Kehrer holte eine billige Karnevalsmaske hervor. Sie bestand aus einer falschen Brille, die auf einer großen, rosaroten Nase festgeklebt war. Den krönenden Abschluss bildete ein schwarzer Schnurrbart.
    Er setzte sie auf und wackelte ein- oder zweimal mit den Ohren.
    »Buh«, sagte er.
    »Was?«, brachte Lobsang verwirrt hervor.
    »Buh«, wiederholte Lu-Tze. »Ich habe nie behauptet, dass die fünfte Überraschung besonders einfallsreich ist.«
    Erneut wackelte er mit den Ohren, dann auch mit den Augenbrauen.
    »Gut, nicht wahr?«, fragte er und grinste.
    Lobsang lachte. Lu-Tze grinste noch etwas mehr, woraufhin Lobsang noch etwas lauter lachte und auf die Matte sank.
    Die Hiebe kamen aus dem Nichts, trafen Lobsang in der Magengrube, am Nacken, am verlängerten Rücken und rissen ihn von den Beinen. Er landete auf dem Bauch, und Lu-Tze hielt ihn in der Grätsche des Fisches fest. Aus dieser Position konnte man sich nur befreien, wenn man bereit war, sich die Arme auszukugeln.
    Von den verborgenen Zuschauern kam ein kollektives Seufzen.
    » Déjà-fu !«
    »Was?«, fragte Lobsang in die Matte. »Du hast gesagt, keiner der Mönche wüsste über das Déjà-fu Bescheid!«
    »Weil ich es ihnen nie beigebracht habe, deshalb!«, erwiderte Lu-Tze. »Du hast versprochen, mir kein Leid zuzufügen. Oh, herzlichen Dank! Gibst du auf?«
    »Du hast mir nie gesagt, dass du dich damit auskennst!« Lu-Tzes harte Knie drückten an die geheimen Stellen und verwandelten Lobsangs Arme in kraftlose Fleischklumpen.
    »Ich bin alt, aber nicht blöd!«, rief Lu-Tze. »Du glaubst doch nicht im Ernst, dass ich einen solchen Trick preisgebe.«
    »Das ist nicht fair…«
    Lu-Tze beugte sich hinab, bis nur noch wenige Zentimeter seinen Mund von Lobsangs Ohr trennten.
    »Von ›fair‹ stand nichts auf der Packung, Junge. Aber du kannst nach wie vor gewinnen, das weißt du. Du kannst mich einfach so in Staub verwandeln. Wie sollte ich die Zeit aufhalten?«
    »Nein, das kann ich nicht!«
    »Du meinst, das willst du nicht, und das ist uns beiden klar. Gibst du auf?«
    Lobsang spürte, wie Teile seines Körpers sich vom Rest lösen wollten. Seine Schultern brannten. Ich kann die fleischliche Existenz aufgeben, dachte er. Ja, ein Gedanke genügt, um ihn in Staub zu verwandeln. Und dann verliere ich. Ich würde das Dojo verlassen, und er wäre tot, und ich hätte verloren.
    »Mach dir keine Sorgen, Junge«, sagte Lu-Tze; seine Stimme klang jetzt ruhig. »Du hast nur Regel Neunzehn vergessen. Gibst du auf?«
    »Regel Neunzehn?«, fragte Lobsang und versuchte, sich hochzustemmen. Schier unerträglicher Schmerz zwang ihn wieder nach unten. »Meine Güte, was hat es denn mit Regel Neunzehn auf sich? Ja, ja, ich gebe auf!«
    »Denk daran, nie Regel Eins zu vergessen«, sagte Lu-Tze. Er ließ los. »Und frage dich immer: Wie kam es überhaupt zu dieser Regel?«
    Lu-Tze stand auf und fuhr fort: »Aber du hast gute Leistungen gezeigt, alles in allem, und deshalb bin ich als dein Lehrer bereit, dich für die gelbe Kutte zu empfehlen. Außerdem…« Er senkte die Stimme zu einem Flüstern. »…haben alle Zuschauer gesehen, wie ich den Sieg über die Zeit errungen habe, und das macht sich bestimmt gut in meinem Lebenslauf, wenn du verstehst, was ich meine. Es verleiht der Regel Eins noch mehr Nachdruck. Komm, ich helfe dir hoch.«
    Er streckte die Hand aus.
    Lobsang wollte danach greifen, doch dann zögerte er. Lu-Tze grinste erneut und zog ihn auf die Beine.
    »Aber nur einer von uns kann das Dojo verlassen, Kehrer«, sagte Lobsang und rieb sich die Schultern.
    »Wirklich?«, erwiderte Lu-Tze. »Wenn man das Spiel spielt, verändern sich die Regeln. Scheren wir uns einfach nicht darum.«
    Viele Mönchshände stießen die Reste der Tür beiseite. Gewisse Geräusche verrieten, dass jemand mit einem Gummiyak geschlagen
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