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Der Zeitdieb

Der Zeitdieb

Titel: Der Zeitdieb
Autoren: Terry Pratchett
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fraß.
    Lobsang stand auf dem Pfad. Der Junge trug einen mit Sternen besetzten schwarzen Umhang, der an diesem windstillen Morgen so wild flatterte, als stünde er mitten in einem Sturm. Was vielleicht sogar der Fall war, mehr oder weniger, vermutete Lu-Tze.
    »Bist du zurück, Wunderknabe?«, fragte der Kehrer.
    »In gewisser Weise bin ich nie fort«, erwiderte Lobsang. »Ist es dir gut ergangen?«
    »Weißt du es nicht?«
    »Ich könnte es wissen. Aber ein Teil von mir muss dies auf die traditionelle Art erledigen.«
    »Nun, der Abt ist sehr misstrauisch, und es kursieren die erstaunlichsten Gerüchte. Ich äußere mich kaum dazu. Was weiß ich schon? Ich bin nur der Kehrer.«
    Im Anschluss an diese Worte wandte Lu-Tze seine Aufmerksamkeit wieder dem kranken Insekt zu. Er hatte lautlos bis vier gezählt, als Lobsang sagte: »Bitte? Ich muss es wissen. Ich glaube, du bist die fünfte Überraschung. Stimmt das?«
    Lu-Tze neigte den Kopf zur Seite. Ein leises Geräusch veränderte sich, ein Geräusch, das er gar nicht mehr bewusst wahrnahm, weil er es schon so lange hörte.
    »Die Zauderer spulen Zeit ab«, sagte er. »Sie wissen, dass du hier bist.«
    »Ich bleibe nicht lange, Kehrer. Bitte.«
    »Du möchtest über meine kleine Überraschung Bescheid wissen?«
    »Ja«, sagte Lobsang. »Ich weiß fast alles andere.«
    »Du bist die Zeit. Was ich dir in der Zukunft sage, kennst du schon jetzt.«
    »Aber ich bin zum Teil ein Mensch. Und ich möchte weiterhin zum Teil Mensch sein. Was bedeutet, dass man die Dinge auf die richtige Art und Weise erledigen muss. Bitte.«
    Lu-Tze seufzte und blickte eine Zeit lang über den von blühenden Kirschbäumen gesäumten Weg.
    »Wenn der Schüler den Lehrer besiegt, so gibt es nichts, was der Lehrer ihm nicht sagen darf«, sagte er. »Erinnerst du dich?«
    »Ja.«
    »Na schön. Das Eiserne Dojo sollte frei sein.«
    Lobsang wirkte überrascht. »Äh, das Eiserne Dojo… Meinst du das mit den metallenen Spitzen in den Wänden?«
    »Und in der Decke, ja. Man könnte es damit vergleichen, sich im Innern eines riesigen umgestülpten Stachelschweins aufzuhalten.«
    Lobsang riss entsetzt die Augen auf. »Aber es ist nicht für Übungen bestimmt! Die Regeln sagen…«
    »Ja, genau«, bestätigte Lu-Tze. »Und ich sage, dass wir es benutzen.«
    »Oh.«
    »Gut. Keine Widerrede. Hier entlang, Junge.«
    Blüten fielen von den Bäumen, als sie an ihnen vorbeigingen. Sie betraten das Kloster und nahmen den gleichen Weg, den sie schon einmal genommen hatten.
    Dadurch gelangten sie auch in den Mandalasaal. Der Sand stieg auf wie ein Hund, der sein Herrchen begrüßte, drehte sich tief unter Lobsangs Sandalen spiralförmig in der Luft. Lu-Tze hörte die Rufe der Mönche.
    Solche Neuigkeiten breiteten sich im Tal aus wie Tinte im Wasser. Hunderte von Mönchen, Novizen und Kehrern folgten Lu-Tze und Lobsang wie der Schweif einem Kometen, als sie über die Innenhöfe schritten. Über ihnen fielen Kirschblüten wie Schnee.
    Schließlich erreichte Lu-Tze die hohe, runde Metalltür des Eisernen Dojos. Ihr Schnappverschluss war in einer Höhe von fast fünf Metern angebracht. Niemand sollte die Tür des Eisernen Dojos öffnen, der nicht wirklich hierher gehörte.
    Der Kehrer nickte seinem früheren Schüler zu.
    »Öffne du die Tür«, sagte er. »Ich kann es nicht.«
    Lobsang sah ihn an und blickte dann zu dem hohen Verschluss empor. Er presste eine Hand gegen das Eisen.
    Rost breitete sich unter seinen Fingern aus. Rote Flecken wuchsen über das uralte Metall. Die Tür knackte und knarrte und zerbröckelte dann. Versuchweise stieß Lu-Tze mit dem Zeigefinger dagegen, und sofort löste sich ein großes Stück, zerkrümelte einfach.
    »Sehr eindrucks…«, begann er und unterbrach sich, als ein Elefant aus Gummi von seinem Kopf abprallte.
    »Keks!«
    Die Menge teilte sich. Der Chefakolyth eilte nach vorn und trug den Abt.
    »Was hat dies möchte Keks KEKS zu bedeuten? Wer ist was für ein komischer Mann diese Person, Kehrer? Die Zauderer tanzen in der Höhle!«
    Lu-Tze verbeugte sich.
    »Er ist die Zeit, Hochwürden, wie du bereits vermutet hast«, sagte er. Er blieb in der Verbeugung, als er den Kopf drehte und zu Lobsang sah.
    »Verneige dich!«, zischte er.
    Lobsang blinzelte verwirrt. »Ich soll mich verneigen?«, erwiderte er leise. »Selbst jetzt noch?«
    »Verneige dich, du kleiner Stonga, oder ich bringe dir Disziplin bei! Zeig gebührenden Respekt! Du bist noch immer mein Schüler, bis ich dich
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