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Der zehnte Richter

Der zehnte Richter

Titel: Der zehnte Richter
Autoren: Brad Meltzer
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ihr Urteil gründen. Das bedeutet, daß Sie Einfluß darauf haben, was die Richter sehen und was sie wissen. Am Obersten Gerichtshof sitzen neun Richter. Was Sie, meine Damen und Herren, jedoch an Einfluß und Macht besitzen, macht Sie zum zehnten Richter.«
    Ben nickte langsam mit dem Kopf. Er war fasziniert.
    Hughes machte eine Pause, um sorgsam seine Brille zurechtzurücken. »Auf Ihren Schultern liegt nun sehr viel Verantwortung. Sie müssen Sie mit Klugheit nutzen. Und damit will ich sagen, daß ich weiß, Sie werden diese Verpflichtung außerordentlich ernst nehmen. Wenn Sie die richtige Einstellung haben, kann die Zeit bei uns Ihr Leben verändern. Hat jemand eine Frage?«
    Keine einzige Hand hob sich.
    »Schön«, meinte Hughes, »dann können wir Sie ja zu Ihren Büros schicken.« Während er die Umschläge verteilte, erklärte er: »Nehmen Sie den mit Ihrem Namen und geben Sie den Rest weiter. Die Umschläge enthalten Ihre Ausweiskarte und Ihr Kennwort. Die Karte öffnet Ihnen jeden beliebigen Eingang dieses Gebäudes, das Kennwort brauchen Sie für Ihren Computer. Ihre Sekretärin wird Ihnen zeigen, wie man die Programme aufruft. Irgendwelche Fragen?« Wieder kein einziges Handzeichen. »Gut«, sagte Hughes, »dann können Sie jetzt zu Ihren Büros gehen. Die Nummer steht auf dem Umschlag.« Während sich das Zimmer leerte, rief er noch: »Wenn Sie Fragen haben, können Sie mich gern anrufen.«
    Ben machte sich zu seinem Büro auf, das als einziges im ersten Stock lag. Im letzten Jahr hatte er dort bei seinem Vorstellungsgespräch die damaligen Mitarbeiter von Richter Hollis kennengelernt. Mit schnellen Schritten bahnte er sich den Weg durch die Große Halle und auf den Fahrstuhl zu. Die Aufzugführerin war eine ältere Frau mit pechschwarz gefärbtem Haar und einer Gerichtsuniform, die eindeutig zu eng für ihren massigen Körper war. Auf einem Tischchen vor dem Aufzug setzte sie ein Puzzle zusammen.
    »Erster Stock, bitte«, sagte Ben. Als die Frau nicht reagierte, fügte er hinzu: »Ma'am, ich würde gern nach oben fahren. Könnten Sie bitte ...«
    »Nur keine Hetze«, brummte sie, ohne aufzusehen, »bin gleich da.« Als sie den richtigen Platz für das Puzzleteil in ihrer Hand gefunden hatte, blickte sie schließlich auf. »Also schön, zu wem wollen Sie denn?«
    »Ich bin Assistent von Richter Hollis. Mein Name ist Ben Addison«, erklärte Ben und streckte seine Hand aus.
    »Ist mir egal, wer Sie sind. Sagen Sie mir bloß, in welchen Stock Sie wollen«, meinte die Frau und marschierte in den Aufzug.
    »In den ersten«, erwiderte Ben trocken.
    Der Flur im ersten Stock war ganz aus Marmor, dazu kam ein rot-goldener Teppich, doch dafür hatte Ben kaum Augen. Er war zu sehr damit beschäftigt, nach der Zimmernummer zu suchen, die auf seinem Umschlag stand. »Schön, Sie wiederzusehen, Richter Hollis«, rezitierte er. »Tag, Richter Hollis, schön, Sie zu sehen. Wie geht's, wie steht's, Richter Hollis? Hübsche Robe, Richter Hollis - Sie steht Ihnen großartig. Soll ich Ihnen noch ein wenig in den Hintern kriechen, Richter Hollis?« Schließlich sah Ben Zimmer 2143. Vor der großen, aufwendig geschnitzten Mahagonitür wischte er seine Hand an der Hose ab und hoffte auf einen trockenen Händedruck. Dann packte er den Messingknauf, öffnete die Tür und trat ein.
    »Sie müssen Ben sein.« Eine Frau Ende Zwanzig schielte über ihre Zeitung. »Tut mir leid, daß Sie den hübschen Anzug für mich vergeudet haben.« Die Frau warf die Zeitung beiseite, ging auf Ben zu und streckte ihm die Hand entgegen. Sie trug khakifarbene Shorts und ein tannengrünes T-Shirt. »Freut mich, Sie kennenzulernen. Ich bin Lisa, Ihre Kollegin für dieses Jahr. Und ich hoffe, daß wir uns nicht gerade hassen, weil wir 'ne ganze Menge Zeit miteinander verbringen werden.«
    »Ist der Richter ...«
    »Kommen Sie, ich zeige Ihnen unser Büro«, unterbrach Lisa ihn und zog ihn mit sich. »Das hier ist bloß das Vorzimmer. Nancy hat heute frei, aber normalerweise sitzt sie hier. Sie ist die Sekretärin von Hollis.«
    Lisa war klein, athletisch gebaut, gedrungen, aber elegant. Ihre zierliche Nase paßte gut zu ihren schmalen Lippen und ihren blauen Augen. Sie öffnete die Tür zu einem kleineren Zimmer. »Das ist unser Büro. Ziemlich beschissen, was?«
    »Unglaublich«, sagte Ben schon von der Tür aus. Das Büro war nicht groß und fast ohne Schmuck, doch die elegante dunkle Holztäfelung der Wände verlieh ihm einen Hauch von
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