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Der zehnte Richter

Der zehnte Richter

Titel: Der zehnte Richter
Autoren: Brad Meltzer
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getragen, bei jeder Zwischenprüfung, bei jeder wichtigen Verabredung mit einem Mädchen. Wenn er am Ende des Semesters an drei aufeinanderfolgenden Tagen Prüfungen hatte, ließ er die Boxershorts gleich an. Er hatte sie während seiner drei Jahre in Yale getragen und bei jedem Vorstellungsgespräch. Und heute war der Tag, beschloß er, an dem sein Talisman in den heiligen Hallen des Obersten Gerichtshofs den Erfolg garantieren würde.
    Schließlich betrat ein Mann mittleren Alters im grauen Nadelstreifenanzug den Raum. Er hatte einen Stapel brauner Umschläge in der Hand, schritt zum Podium und zählte die Anwesenden. »Mein Name ist Reed Hughes«, sagte er. Seine Hände schlössen sich fest um die Seiten des Rednerpults. »Im Auftrag des für Sie als Assistenten zuständigen Zentralbüros freue ich mich, Sie in aller Form am Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten begrüßen zu können. Auf die Gefahr hin, einiges zu wiederholen, was Ihnen bereits bekannt ist, möchte ich Ihnen doch ein wenig von dem berichten, was in Ihrem Jahr hier auf Sie zukommen wird.«
    In Sekundenschnelle hatten vier der Anwesenden ihre Notizbücher und Kugelschreiber gezückt.
    Erbärmlich, dachte Ben, während er den Impuls bezähmte, selbst sein Notizbuch herauszuholen.
    »Wie Sie wissen, kann jeder Richter zwei wissenschaftliche Mitarbeiter einstellen, die ihn bei der Vorbereitung seiner Stimmabgabe unterstützen«, erklärte Hughes. »Alle neun hier Anwesenden werden mit neun weiteren Kollegen zusammenarbeiten, die vor einem Monat, also am ersten Juli, mit ihrer Arbeit begonnen haben. Es ist mir bewußt, daß Sie alle außerordentlich hart gearbeitet haben, um die Position zu erreichen, in der Sie sich heute befinden. Den größten Teil Ihres Lebens haben Sie an einem nicht enden wollenden Wettlauf zum Erfolg teilgenommen. Nun aber will ich Ihnen etwas sagen, was Sie, wie ich hoffe, ernst nehmen werden. Der Wettlauf ist vorbei. Sie haben gewonnen. Sie sind Assistenten am Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten.«
    »Hast du das gehört?« flüsterte Ben Joel ins Ohr. »Wir sind die Assistenten.«
    Joel warf ihm einen finsteren Blick zu. »Klugscheißer sind bei niemand sonderlich beliebt, Addison.«
    »Diese achtzehn Menschen, zu denen Sie gehören, sind die besten und intelligentesten jungen Juristen des Landes«, fuhr Hughes fort. »Unter Tausenden von Bewerbern aus den herausragenden Fakultäten des Landes haben die Mitglieder dieses Gerichtshofs gerade Sie gewählt. Was heißt das nun? Es heißt, daß sich Ihr Leben grundsätzlich verändert hat. Personalchefs werden Ihnen Posten anbieten, Headhunter werden Sie in teure Restaurants einladen, mögliche Arbeitgeber werden alles in ihrer Macht Stehende tun, um Sie für ihre Firma zu gewinnen. Sie sind Mitglieder der elitärsten Verbindung des Landes. Der derzeitige Außenminister hat als Mitarbeiter am Obersten Gerichtshof begonnen, ebenso der Verteidigungsminister. Drei unserer neun Obersten Richter waren hier einmal wissenschaftliche Mitarbeiter, was bedeutet, daß irgend jemand in diesem Zimmer eine ziemlich gute Chance hat, Richter am Obersten Gericht zu werden. Ab heute sind Sie das wertvollste Eigentum auf dem Spielplan. Sie sind Parkstraße und Schloßallee. Und das bedeutet, daß Sie Macht besitzen.«
    Ben Addison lehnte sich zurück. Er hatte aufgehört zu schwitzen.
    Hughes ließ den Blick über seine gebannten Zuhörer schweifen. »Warum erzähle ich Ihnen das alles? Nicht, damit Sie Ihre Freunde beeindrucken können. Und bestimmt nicht, um Ihrem Ego zu schmeicheln. Da ich Jahr für Jahr mit den Assistenten umgehe, weiß ich, daß keiner von Ihnen ein Ego-Problem hat. Meine Absicht ist, Sie auf die Verantwortung vorzubereiten, die Sie erwartet.
    Diese Arbeit ist wichtig - wahrscheinlich wichtiger als jede andere Arbeit, die Sie jemals haben werden. Seit über zweihundert Jahren steuert der Oberste Gerichtshof unser Land durch seine bedeutendsten Kontroversen. Der Kongreß beschließt die Gesetze und der Präsident unterzeichnet sie, aber es ist der Oberste Gerichtshof, der sie absegnet. Vom heutigen Tag an liegt diese Macht in Ihren Händen. Zusammen mit den Richtern werden Sie Entscheidungen ausarbeiten, die das Leben von Menschen verändern. Sie werden beständig aufgefordert werden, mitzuwirken, und Ihr Standpunkt wird unstreitig Wirkung zeigen. In vielen Fällen werden die Richter sich ganz auf Ihre Analyse verlassen. Es wird Ihre Vorarbeit sein, auf die sie
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