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Der Zauberspiegel

Der Zauberspiegel

Titel: Der Zauberspiegel
Autoren: Lynn Carver
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aufrichtete, blendete ihn die aufsteigende Sonne und er sah einen dunklen, einarmigen Schatten. Plötzlich durchzuckte ihn die Erkenntnis. Das musste einer der Mörder seiner Familie sein!
    Mit ein paar Schritten erstürmte er die Treppe. Er nahm zwei Stufen auf einmal, war bei dem Einarmigen, stieß ihn zu Boden und setzte ihm das Schwert auf die Brust. Durch den Sturz hatte der Einarmige seinen Helm verloren. Aran blickte den Soldaten an und erinnerte sich an einen schwülen Sommertag vor elf Sommern.
    Gesichter aus seiner Erinnerung tauchten auf. Vor sich sah Aran auch die verkniffene Miene des Einarmigen, der vor ihm auf dem Boden lag.
    »Endlich«, sagte Aran und selbst in seinen Ohren klang seine Stimme eisig. »Steh auf!«
    Der Einarmige gehorchte und tastete nach seinem Schwert.
    Aran fühlte weiteren Hass aufflammen, der sich mit wildem Triumph mischte. Endlich! Endlich war der Zeitpunkt seiner Rache gekommen. Er würde den Soldaten quälen, bis er vor Angst und Schmerzen schrie wie seine Mutter, als dieser Widerling sie ermordete. Er würde mit ihm spielen, ihm das Gefühl von Überlegenheit, von Sieg geben, um ihn dann umso grausamer zu richten. Und er brauchte keinerlei Schuldgefühle haben, denn der Mann war ebenso freiwillig ein Schlächter in Kloobs Namen wie Iorgen.
    »Du warst dabei, als vor elf Sommern ein Weißer und seine morvannische Frau umgebracht wurden!«
    Der Soldat gewann seine Selbstsicherheit zurück. Verächtlich starrte er Aran ins Gesicht. Er hielt ihn wohl für keine ernste Bedrohung, auch wenn Arans Waffe auf ihn gerichtet war.
    »Ich war auf jeder Mission dabei, deren Ziel es war, Mischehen zu vernichten. Kloob hasst Mischehen und die Bastarde, die aus solchen Verbindungen entstehen.« Er spie vor Aran aus und verzog das Gesicht.
    »Nimm dein Schwert!« Als der Soldat nicht gleich reagierte, schrie Aran: »Mach schon! Ich werde dir jeden Körperteil einzeln abtrennen!«
    Hastig riss der Einarmige sein Schwert an sich und griff Aran an.
    Zwischen dem Einarmigen und Aran entbrannte ein hitziger Kampf. Attacke folgte auf Attacke. Aran hieb auf seinen Gegner ein. Ein roter Schleier hatte sich über seinen Blick gelegt und der Hass in seinem Inneren gab ihm zusätzliche Kraft. Dann aber nutzte der Einarmige einen unachtsamen Moment aus und stieß zu.
    Aran presste seine linke Hand auf die Verletzung, starrte ungläubig auf seine blutbefleckte Hand und taumelte ein paar Schritte rückwärts. Obwohl das Blut in Strömen aus seiner Seite lief, verspürte er keinen Schmerz. Er sackte gegen die Wand in seinem Rücken. »Verzeih mir, Vater. Ich habe versagt«, murmelte er. Schwindel befiel ihn.
    »Du bist damals übersehen worden, vermute ich. Ein Fehler, den ich jetzt korrigieren werde«, höhnte der Einarmige und stach erneut zu.
    Vor Aran stieg das Bild seiner Eltern auf. Nadroj, sein Vater, mit zertrümmertem Schädel und leerem Blick. Arans Mutter, die wunderschöne Morvannin in einer Lache ihres Blutes liegend, ihre Knochen gebrochen, ihr Fleisch zerfetzt, ihre Augen glasig, den Blick bereits in eine andere Welt gerichtet. Taleen, seine Schwester, die qualvoll in den Flammen ihres Elternhauses verbrannte wie ein Stück lebloses Holz.
    Nun würde er ihnen also folgen. Aran krümmte sich. Er war ein erbärmlicher Versager!
    Durch seine Gedanken blitzte Juliane. Ihre blauen Augen, die zarte Berührung ihrer Hände. Wie es ihm stets Kraft gab, sein Bestes hervorholte und wie ihr gutes Herz für seine schwarze Seele das Licht war, das ihn leitete. Und auch jetzt verlieh es ihm neue Stärke, daran zu denken, mit ihr vereint zu sein. Er durfte nicht sterben. Er hatte so vieles gefunden, für das es sich zu leben lohnte.
    Widerstand regte sich in ihm. Wollte er aufgeben? Sollten all die Jahre des Trainings, die Zeit, die seinen Hass und Zorn bis ins Unerträgliche hatte anwachsen lassen, umsonst gewesen sein? Sein Kampf verloren? Nein, das durfte nicht sein. Er hatte Rache geschworen und sein Versprechen war heilig. Er wollte festhalten am Hier und Jetzt und abschließen mit all dem Übel aus seiner Vergangenheit, um dann mit Juliane zu leben, sie zu lieben und jeden Morgen aufzuwachen mit dem Glücksgefühl, sie zu sehen.
    Der Soldat holte ein weiteres Mal aus. Aran wich zur Seite und die Klinge des Einarmigen traf ins Leere. Er machte einen Schritt auf den Mann zu. Der Soldat trat überrascht um dieselbe Distanz zurück. Sein Blick flackerte.
    »Ich habe es versprochen«, murmelte Aran und
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