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Der Zauberhut

Der Zauberhut

Titel: Der Zauberhut
Autoren: Terry Pratchett
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und verbrachten den größten Teil ihrer Zeit damit, über verschiedene Dinge nachzudenken – ihre Überlegungen galten in den meisten Fällen der nächsten Mahlzeit – und zu vermeiden, die Aufmerksamkeit eines ehrgeizigen Zauberer der siebten Ebene zu wecken. Gespannt warteten sie auf eine Demonstration achtstufiger Macht.
    Billias schmunzelte zuversichtlich, und der Knabe erwiderte das Lächeln, während er etwas zu beobachten schien, das sich einige Zentimeter hinter dem Kopf des alten Zauberers befand.
    Ein Magier der achten Ebene läßt sich nicht so leicht aus der Fassung bringen, aber es fiel Billias schwer, die Ruhe zu bewahren. Plötzlich nahm er die ganze Sache wesentlich ernster und spürte den unwiderstehlichen Drang, sein Publikum zu beeindrucken. Diesem Empfinden folgte Ärger über die Nervosität, die tief in ihm zitterte, und er beendete sein kurzes emotionales Abenteuer, als eine innere Stimme »Narr!« flüsterte.
    Er holte tief Luft. »Ich werde dir Maligrees Wundervollen Garten zeigen«, verkündete Billias.
    Die Zauberer murmelten aufgeregt. In der ganzen Geschichte der Unsichtbaren Universität war es nur vier Magiern gelungen, den vollständigen Garten zu beschwören. Die meisten Thaumaturgen waren durchaus imstande, die Bäume und Blumen zu schaffen, und manche brachten es sogar fertig, Vögel hinzuzufügen. Es handelte sich nicht um einen besonders mächtigen Zauber – es ließen sich keine Berge damit versetzen –, aber die winzigen Details in Maligrees komplexer Formel erforderten ein hohes Maß an magischer Kompetenz.
    Billias zeigte seine leeren Hände und blickte auf den Knaben herab. »Es ist kein fauler Zauber, wie du siehst«, sagte er und belächelte sein kluges Wortspiel.
    Seine Lippen bewegten sich lautlos, und die Finger malten geheimnisvolle Zeichen in die Luft. Goldene Funken glitzerten heran, knisterten über der einen Hand und bildeten einen kleinen Ball, in dem sich Konturen formten…
    Maligree gehörte zu den letzten wahren kreativen Magiern, und die Legende berichtete, er habe den Garten als ein kleines, privates, in sich geschlossenes Universum erschaffen, in dem er in aller Ruhe rauchen und nachdenken konnte, während er die Sorgen des Alltags wenigstens vorübergehend vergaß. Allein das war schon rätselhaft genug, denn kein gewöhnlicher Zauberer verstand, wieso ein kreativer Magus Alltagssorgen haben konnte. Ganz gleich, wie die Erklärung lauten mochte: Maligree begab sich immer häufiger in seinen persönlichen Kosmos, bis er nicht mehr zurückkehrte und einfach die Tür hinter sich schloß.
    Der Wundervolle Garten ruhte als schimmernde Kugel in Billias’ Händen. Einige in der Nähe stehende Zauberer reckten die Hälse, spähten über die Schulter ihres Kollegen und bewunderten einen mehr als fünfzig Zentimeter durchmessenden Ball, der eine paradiesische Blumenlandschaft enthielt. Sie beobachteten einen See mit interessanten Wellenmustern, starrten auf purpurne Berge, die sich hinter einem dichten Wald erhoben. Bienengroße Vögel flogen von Baum zu Baum. Zwei Rehe, die kleiner waren als normale Mäuse, grasten auf einer Wiese und sahen zu Münze auf.
    Der Knabe nickte kurz. »Nicht schlecht«, kommentierte er kritisch. »Gib mir den Garten.«
Er nahm die eigentlich substanzlose Kugel von Billias entgegen und wog sie in den Händen.
»Warum ist sie nicht größer?« fragte er.
Billias holte ein spitzenbesetztes Taschentuch hervor und wischte sich den Schweiß von der Stirn.
    »Nun…«, sagte er und suchte nach einer passenden Antwort. Der Tonfall des Knaben verwirrte ihn so sehr, daß er sich nicht die Zeit nahm, beleidigt zu sein. »In den vergangenen Jahrhunderten hat die Wirkung der Zauberformel etwas nachgelassen…«
    Münze neigte den Kopf zur Seite und schien mehrere Sekunden lang zu lauschen. Dann flüsterte er einige Silben und berührte die Oberfläche der Kugel.
    Der Ball schwoll an. Im einen Augenblick war er kaum mehr als ein faszinierendes Spielzeug in den Händen des Jungen, und im nächsten…
    … fanden sich die Zauberer im kühlen Gras einer Wiese wieder, die bis zum See reichte. Sanfter Wind wehte von den Bergen her, und die Luft duftete nach Thymian und Heu. Ein blauer Himmel spannte sich über der Landschaft, und im Zenit gewann er eine purpurne Tönung.
    Die Rehe standen im Schatten eines nahen Baums und beobachteten die Neuankömmlinge argwöhnisch.
Spelzdinkel sah verblüfft herab. Ein Pfau zupfte an seinen
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