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Der Wunschzettelzauber

Der Wunschzettelzauber

Titel: Der Wunschzettelzauber
Autoren: Muriel Zagha
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Entscheidung war richtig. Weißt du«, setzte sie mit einem kleinen Lachen hinzu, »Rosine hatte ein telepathisches Gespür für solche Dinge. Sie war sich sicher, dass da ein anderer Junge dahintersteckt. Oder Mann, sollte ich sagen! Rosine sprach immer von ›Jungs‹ und ›Mädels‹, egal wie alt. Und, ist das wahr?«
    Chloe zögerte. Sie hatte Charlies wiederholte Versuche, sie nach dem Abend im Baumhaus zu erreichen, ignoriert. Sie vermisste ihn schrecklich, aber seine Karen-Geschichte tat allzu weh. »Ich weiß es wirklich nicht«, antwortete sie wahrheitsgemäß.
    Die Regards blieben über Nacht in Paris, Chloe aber hatte keine Übernachtung geplant. Sie wollte mit dem letzten Zug zurückfahren, unmittelbar nach einem Abendessen mit André und Jeannette in einer Brasserie gegenüber dem Bahnhof Gare du Nord. Vorher aber unternahm sie alleine einen Spaziergang und ging zur Seine.
    Ãœber die Brücke gelangte sie zum Rive Gauche, wanderte die Rue du Bac hinunter, warf einen Blick in die Rue de Verneuil, wo Serge Gainsbourg, der berühmte französische Liedersänger einst gelebt hatte. Sein Haus war eine Art Tempel geworden und von Fans liebevoll mit Graffiti-Malereien verziert. Sie ließ sich im Strom der Pariser Fußgänger treiben, sah sich die geschmackvoll arrangierten Schaufensterauslagen von Antiquitätenläden und Lebensmittelgeschäften an. Sie betrat einen Bücherladen und kaufte für Nicolas ein paar französische Comichefte mit einem lustigen, kleinen Superhelden. Am längsten hielt sie sich in einem wunderschönen Fachgeschäft für Kinderbekleidung auf und bewunderte die außergewöhnliche und hochwertige Ware in den Regalen und auf den kleinen Tischen. Direkt nebenan befand sich eine Parfümerie, und Chloe erwarb eine Flasche eines besonderen Parfüms, das sie liebte und das sie in London nicht bekam.
    Nun wurde es allmählich Zeit, zurückzugehen und sich mit Antoines Eltern wieder zu treffen.
    Doch plötzlich, ohne dass sie es beabsichtigt hatte, stand sie in der Straße, stand sie vor dem Haus mit der dunkelgrünen Eingangstür, an die sie sich so deutlich erinnerte, mit dem geheimnisvollen, wohlwollend auf sie herabblickenden Steinkopf einer Göttin darüber. In diesem Haus, in einer Wohnung im ersten Stock, hatten Antoine und sie zusammengelebt, war Nicolas gezeugt worden. Chloe presste ihre Hand und ihre Stirn gegen die kühle Steinwand, atmete den zeitlosen mineraliensauren Geruch ein und ließ die Tränen fließen. Sie betrat das Haus nicht – sie hätte es gar nicht gekonnt, denn sie kannte den Sicherheitscode, mit dem man die Tür öffnete, nicht mehr. Nun lebten andere Menschen hier, und sie hoffte, dass sie glücklich waren. Dieses Haus war einst ihr Zuhause geworden, aber nun war sie schon so lange fort, so lange zurück in London.
    London war nun wieder ihr Zuhause, und dort wartete ihr Sohn auf sie. Sie dachte an Antoine, daran, wie sie mit ihm Hand in Hand durch diese Tür gegangen war. Sie presste die Stirn gegen den kalten Stein. Adieu, Darling . Es war Zeit zu gehen. Zeit, sich nach einem Taxi umzusehen.
    Später, im Zug, dachte sie an Antoine, an Rosine, an Antoines Großvater René, den Rosine geliebt hatte, als sie beide jung waren. Sie stellte fest, dass ihr nichts davon Kummer bereitete.
    Dann begann sie, sich einen Familienstammbaum, einen Baum in vielen Farben vorzustellen, den sie für Nicolas malen könnte, mit vielen Ästen und Zweigen, an die er Fotos von sich selbst, von seinen Eltern Antoine und Chloe, von seinem Onkel James, von seinen Großeltern Michael und Jenny und André und Jeannette und vielleicht von seinen Urgroßeltern kleben konnte. Auch Rosine würde ihren Platz bekommen. Und wenn der Stammbaum fertig wäre, würden sie ihn rahmen und in die Küche hängen, wo sie ihn immer sehen könnten.
    Ihre Gedanken wanderten zum Bon Vivant . Sie wusste nun mit absoluter Sicherheit, dass sie das Geschäft nach Brunos Weggang nicht übernehmen würde. Ja, dort zu arbeiten hatte einen guten Teil ihres Lebens ausgemacht. Und ja, es hatte ihr geholfen, sich selbst wiederzufinden, hatte ihr ein Gefühl der Zugehörigkeit gegeben, aber es war nicht ihr Ein und Alles geworden. Nein, sie würde mit Kaja und Megan über das Projekt sprechen, das ihr seit einiger Zeit im Kopf herumspukte und ihr
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