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Der Wunschzettelzauber

Der Wunschzettelzauber

Titel: Der Wunschzettelzauber
Autoren: Muriel Zagha
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wirklich am Herzen lag, ein Abenteuer, an das sie begeistert und ängstlich zugleich dachte.
    Würden sie das zu dritt verwirklichen können? Es würde finanziell ein ziemliches Risiko sein. Mode war ein knallhartes Geschäft. Und es würde kein Zuckerschlecken werden, selbst wenn die Sache Anklang fand. Wahrscheinlich würden sie eine Weile von der Hand in den Mund leben müssen. Doch Megan hatte recht, ja, das Leben war oft kompliziert und grausam, und manchmal klappte nichts so, wie man es wollte, aber dennoch war es, selbst unter Schwierigkeiten, einen Versuch wert.
    Wieder dachte sie über Nicolas’ Familienstammbaum nach. Sie sollte ihn lieber nicht zu rasch rahmen lassen. Vielleicht blieb er noch eine Weile eine Art unfertige Baustelle. Vielleicht gefiel Nicolas der Gedanke, Platz für andere Leute zu lassen, die zu seiner Welt gehörten – seine erweiterte Familie. Sally und Philip, Kaja und Steve, Megan und … Gavin vielleicht … und alle ihre Kinder. Und womöglich auch… Chloe schloss die Augen. Sie sah Katies helles, ernsthaftes Gesichtchen klar und deutlich vor sich, und auch Charlies. Charlies Gesicht in Nicolas’ Baum. In ihrem Familienstammbaum.
    Als sie endlich in London und beim Haus ihrer Eltern ankam, war es schon spät, aber sie war nicht überrascht, Nicolas auf dem Sofa neben ihrem Vater vorzufinden, der gemütlich vor dem Fernseher saß und sich eine seiner Lieblingsserien ansah. Nicolas hatte darum gebettelt, aufbleiben und auf seine Mum warten zu dürfen, und döste nun an der Schulter seines Großvaters. Kaum aber hatte Chloe das Wohnzimmer betreten, da öffnete der kleine Junge die Augen und schoss vom Sofa auf und in ihre Arme wie ein Korken aus einer Champagnerflasche. Nach der Begrüßung ließ er es demütig zu, von ihr hinauf und ins Bett gebracht zu werden.
    Im Halbdunkel beantwortete Chloe Nicolas’ Fragen über Ro­sines Beerdigung, dann erkundigte sie sich, wie sein Tag im Kindergarten verlaufen sei, mit wem er gespielt, welche Bilder er gemalt und welche Lieder er heute gesungen habe. Sie erwähnte nichts von dem geplanten Familienstammbaum, sondern sparte sich das für den nächsten Morgen auf.
    Â»Und jetzt wird geschlafen, mein Schatz«, sagte sie schließlich und strich ihm über das Haar. »Wovon willst du denn heute Nacht träumen? Von Polarbären oder von Dinosauriern?«
    Â»Polarbären«, antwortete Nicolas nach einem Augenblick des Nachdenkens. »Und einen Iglu bauen. Und ein Loch ins Eis schneiden, um einen Fisch zu fangen.«
    Â»Na, das scheint mir ein spannender Traum zu werden.«
    Nicolas streckte sich und gähnte mit weit aufgerissenem Mund. Er sah so süß und so kuschelig unter seiner Decke aus, dass Chloe bei diesem Anblick, wie immer, eine tiefe Befriedigung empfand.
    Â»Und wovon träumst du, Mummy?«, fragte er schläfrig.
    Â»Hmmm«, machte sie mit leiser, einlullender Stimme. »Ich habe von einem Strand geträumt.«
    Â»M-hmm.«
    Â»Ich gehe am Strand entlang und halte ein Kätzchen in den Armen.«
    Â»Ein Kätzchen wie mich?«, fragte Nicolas.
    Â»Wie du?«, wunderte sich Chloe.
    Â»Du nennst mich doch petit chat .«
    Â»Da hast du recht«, erwiderte Chloe und gab ihm einen Kuss auf die Nasenspitze. »Und dann sehen das Kätzchen und ich – du und ich – etwas ganz Seltsames und Geheimnisvolles am Himmel. Viele verschiedene Farben.«
    Â»Wie ein Regenbogen?«
    Â»Nein, nicht wie ein Regenbogen. Wie große Farbflecken, die ineinander verlaufen, als wären sie lebendig.«
    Nicolas drehte sich auf eine Seite und schmiegte sein Gesicht in das Kopfkissen. Er würde jetzt jeden Augenblick einschlafen. »Wie die Bilder, die Katies Daddy macht«, murmelte er so klar wie ein Medium in Trance.
    Â»Ah ja«, hauchte Chloe, und ein Lächeln breitete sich über ihr Gesicht und bis in ihre Haarwurzeln aus. »Genauso sehen sie aus.«
    Nicolas begann leicht zu schnarchen – es klang süß. Chloe schloss ebenfalls die Augen. Sie dachte an die Farben in ihrem Traum und an Charlies Bilder. Sie erinnerte sich daran, wie sie vor seinem Bild in der Tate Modern gestanden war und wie es ihr Trost gespendet hatte. Plötzlich wurde ihr klar, was sie für Charlie empfand – es war Liebe. Eine echte, dauerhafte, tief empfundene Zuneigung zu einem anderen
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