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Der Wunschzettel - Be Careful What You Wish For

Titel: Der Wunschzettel - Be Careful What You Wish For
Autoren: Alexandra Potter
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anderen Menschen auf sich spüren, und starrt mich an. Und ertappt mich dabei, wie ich ihn unverblümt anstarre. Oh Gott, wie peinlich. Mein Blick fällt auf eine herrenlose Ausgabe des Loot - das ist dieses Blatt mit den kostenlosen Anzeigen, in dem alles gesucht und gefunden wird, vom Gebrauchtwagen bis zum Gesinnungsgenossen -, schnappe sie, als wäre sie ein Rettungsring auf offener See und gehe mit glühenden Wangen hinter einer Seite mit Mitbewohner-Annoncen in Deckung. Scheinbar interessiert fange ich an zu lesen. Nur für den Fall, dass er mich beobachtet. Clapham Common: Lesbischer Katzenlieb haberhaushalt sucht gleichgesinnte Schwester; Earl’s Court: Zimmer in 3 Zimmer Wohnung zu vergeben - gemeinsam mit acht Australiern; Shoreditch: toleranter Künstler für flippig moderne WG gesucht.
    Und dann verlässt mich der Mut. Da steht sie. Am Ende der Seite. Nur eine einzige Zeile: Little Venice: Einzelzimmer in WG; £ 150 pro Woche, inkl. Nebenkosten. Geistesabwesend starre ich die Annonce an und kritzle ein Herz darum, während ich an »Ihn« denke. Das hier muss die langweiligste, uninspirierteste Anzeige sein, die ich je gelesen habe. Was genau meine Absicht war, als ich sie vor drei Wochen aufgegeben habe.
    Ich will nicht gezwungen sein, ein Zimmer in meiner Wohnung zu vermieten. Ich will keinen Fremden in meinem Apartment haben, der mein Sofa, mein unbenutztes Topfset von Le Creuset und meinen Toilettensitz mit mir teilt. Als Daniel ausgezogen ist, hat er seinen Bang & Olufsen-Fernseher mitgenommen, die Hälfte unserer Fotosammlung und seinen Anteil an der Anzahlung für die Wohnung. Er hat mich ohne Fernseher zurückgelassen, ohne Fotos von mir mit den albernen blonden Strähnen, die ich mir mit 27 habe machen lassen, aber dafür mit einem Berg Schulden. Die letzten neun Monate habe ich von meinen Ersparnissen gelebt, und jetzt bin ich völlig pleite. Die letzten beiden Monate konnte ich die Hypothekenraten nicht zurückzahlen, so dass die Bank mir mit Pfändung gedroht hat. Also muss ich entweder einen Mitbewohner finden oder …
    Oder was? Ich starre aus dem Fenster und wünschte, ich sähe dort draußen eine Lösung für all meine Probleme, doch ich sitze in der Londoner U-Bahn und nicht vor einer Kristallkugel, und alles, was ich sehe, ist mein Gesicht, das mir aus der Dunkelheit des U-Bahnschachts entgegenstarrt.

KAPITEL 4
    Ich habe immer gedacht, wenn ich mein 30. Lebensjahr erreicht hätte, würde mein Leben in halbwegs geregelten Bahnen verlaufen. Ich hätte ein wenig Geld auf der Bank, eine erfolgversprechende Karriere als Fotografin und zumindest ein Paar Designerschuhe im Schrank - es müssen keine Manolo Blahniks sein, Kurt Geiger würde schon genügen. Aber letztes Jahr war es so weit - die große 3 mit einer Null dahinter - und mir ging auf, dass die meisten meiner Freunde die Karriereleiter erklimmen, heiraten und sich bei Nicky Clarke die Haare machen lassen, während es bei mir kontinuierlich abwärtsgeht.
    Ich bin am Limit meines Überziehungsrahmens - zack, eine Stufe abwärts. Mein geliebter MG Midget steht nach einer Kollision mit einem BMW in der Werkstatt - zack, noch ein Schritt nach unten. Und was meine hochfliegende Karriere als Fotografin angeht - zack, den ganzen Weg hinunter bis in den Keller.
    Vor einer Weile dachte ich, ich hätte es vielleicht doch geschafft. Dass ich Daniel kennen gelernt, mich in ihn verliebt, eine Wohnung gekauft und mit ihm dort eingezogen war, hatte mir ein Gefühl der Sicherheit gegeben. Ziele. Reife. Schlagartig hatte ich eine Hypothek, eine Lebensversicherung, einen Partner. Und obwohl ich die meiste Zeit das Gefühl hatte, die Erwachsene nur zu spielen, wurde ich von allen um mich herum mit neuem Respekt behandelt.
    Meine böse Stiefmutter schickte mir Kochbücher, einen Tassenbaum und jede Menge Tupperware-Dosen für eine geheimnisvolle »untere Schublade«, von der ich bis heute nicht weiß, was damit gemeint ist; in der Reinigung nickte mir Sanjeev höflich zu, wenn ich Daniels Ralph-Lauren-Hemden mit meinen Wildleder-Hüfthosen ablieferte. Selbst die Ärztin in der Klinik für Familienplanung bedachte mich mit einem wohlwollenden Lächeln, als sie mir ein neues Rezept für die Pille ausstellte.
    Was machte es also schon, wenn das Puzzleteilchen »Karriere« fehlte? All die Teilchen meines Liebeslebens existierten und passten perfekt zueinander, und bestimmt würde sich alles andere auch irgendwann ergeben, dachte ich.
    Tja, so war es aber
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