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Der wunderbare Massenselbstmord

Titel: Der wunderbare Massenselbstmord
Autoren: Arto Paasilinna
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und veranstalte­ ten dann widerliche Sexorgien, die gefilmt und fotogra­ fiert wurden. Das obszöne Material wurde zu horrenden Preisen an die Pornoindustrie verkauft. Die Brutalität gipfelte in blutigen Ausschweifungen, bei denen das Mädchen mehrfach vergewaltigt und schließlich ermor­ det wurde. Alles sollte wie gewohnt auf einem Film festgehalten werden. Nachdem die Schurken das Opfer ihres grausamen Verbrechens hinter der Hütte begraben hatten, merkten sie, dass zuletzt kein Film in der Kame-ra gewesen war. In ihrer Wut töteten sie auch den Ka­ meramann, wurden aber daraufhin gefasst. Korpela fuhr unter dem Eindruck dieser schrecklichen Geschichte beinah den Bus in eine Schlucht. Im letzten Moment bekam er das Fahrzeug wieder unter Kontrolle, und so traf die Gesellschaft keuchend vor dem Posthotel des Alpendorfes Münster ein.
    Die Anonymen Sterblichen stürzten zitternd aus dem Bus, der Kapitän zu Lande war der Erste, der in die Gaststätte des Hauses rannte und sich einen Schnaps bestellte. Diesmal ließen sich auch alle anderen Finnen etwas Hochprozentiges vorsetzen. Mit zitternden Händen prosteten sie sich zu. Vom Tod mochte niemand mehr sprechen.
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    Dem pensionierten Ingenieur Jarl Hautala und der Espooer Aidspatientin Tarja Halttunen gefiel es im Post-hotel von Münster so gut, dass sie beschlossen, sich in der obersten Etage ein Zimmer zu mieten, um dort die letzten Tage ihres Lebens zu verbringen. Sie trugen ihr weniges Reisegepäck hinauf. Dann kamen sie in die Gaststätte, um sich von der Gruppe zu verabschieden.
    Hautala bedankte sich bei den Anonymen Sterblichen für die Freundschaft und Fürsorge, die ihm während der langen Reise zuteil geworden war. Er war sehr bewegt, als er von seinem schweren Schicksal und der Kürze des Lebens sprach. Die Szene war in vielerlei Hinsicht ein­ drucksvoll. Viele Mitglieder der Gruppe wischten sich die Tränen aus den Augen.
    In dem kleinen Alpendorf gab es wieder einmal nicht genügend Übernachtungsplätze für die ganze finnische Gruppe, sodass erneut ein Lager aufgeschlagen werden musste. Hinter dem Friedhof lag eine kleine Wiese, die gerade groß genug war, dass das Zelt darauf stehen konnte. Helena Puusaari und Oberst Kemppainen be­ suchten den Friedhof. Er lag an einem steilen Hang, und von dort hatte man einen prachtvollen Blick ins Rhone-tal. Der Friedhof selbst war voller toter Bachers, da gab es Josef, Maria, Adolf, Frida, Ottmar… Im ganzen Dorf wohnte kaum jemand, der nicht Bacher hieß, soweit sich aus den Gräbern schließen ließ.
    Helena Puusaari fand Münsters Friedhof idyllisch. In solch einer kleinen Anlage wollte sie auch einmal begra­ ben liegen. Ob die Einheimischen wohl ganze Touristen­ gruppen auf ihrem Friedhof aufnehmen würden? Viel­ leicht könnte Jarl Hautala dafür sorgen, dass die Selbstmörder hier zur letzten Ruhe gebettet wurden? Man müsste mit ihm reden.
    Korpela erschien, um sich zu erkundigen, ob in die-sem Dorf übernachtet werden sollte oder ob er die Leute in den Bus einsammeln und diesen endlich in die Schlucht stürzen dürfte, so wie vereinbart. Der Oberst entschied, dass man noch einmal überlegen und dann am Morgen darüber befinden sollte. Korpela sagte, dann werde er ins Gasthaus zurückkehren und sich voll laufen lassen.
    Der Kapitän zu Lande hatte im Suff vor den einheimi­ schen Männern in der Gaststätte geprahlt, dass er zu einer Gruppe gehöre, die garantiert in die Schweizer Geschichte eingehen werde. Er hatte verraten, mit wel­ chem Ziel die Reisenden unterwegs waren. Zunächst hatten die Einheimischen es für das Geschwätz eines Betrunkenen gehalten, aber als die anderen anwesenden Finnen Heikkinens Worte bestätigt hatten, waren sie eilig aufgebrochen.
    Am Nachmittag aßen die Finnen in der Gaststätte des Posthotels gebratene Forelle und tranken Wein dazu. Obwohl das Essen ausgezeichnet schmeckte und es auch am Wein nichts auszusetzen gab, blieb die Stim­ mung gedrückt.
    Draußen ertönten Akkordeonklänge. Der Oberst und Helena Puusaari wunderten sich, wer dort wohl spielte. Als sie auf die Terrasse traten, sahen sie, wie Kapitän Heikkinen Münzen in eine Holzfigur steckte, die ein mechanisches Akkordeon im Arm hielt und im Takt des automatischen Spiels mit dem Kopf wackelte. Mikko Heikkinen war so betrunken, dass er mit dem mechani­ schen Akkordeonspieler sprach, er teilte ihm mit, dass er seine Seele beim Kartenspiel verloren habe und dass er bald sterben werde. Seine Worte
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