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Der wunderbare Massenselbstmord

Titel: Der wunderbare Massenselbstmord
Autoren: Arto Paasilinna
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südlichen Landesteilen bis hinauf nach Iisalmi verfügte. All jene, die weiter nördlich wohnten, bildeten Uulas Einsatz.
    Im dunstigen Lichtkreis des flackernden Feuers po­ kerten der Kapitän zu Lande und der Rentiermann die ganze Nacht hindurch. Sie saßen mit funkelnden Augen am schwarzen Fluss wie zwei Teufel. Im Zelt schnarch­ ten ihre Spieleinsätze vertrauensvoll, aus Richtung des Nationalmuseums klang, etwas gedämpft, das Treiben der Drogensüchtigen, ihre Schlägereien, Wahnsinns-und Todesschreie, herüber.
    Aber das Spiel ging weiter. Uula Lismanki verlor an den Kapitän zunächst die Seele der Fließbandarbeiterin aus Haukipudas, dann die von Grenzjäger Rääseikköi­ nen aus Kemijärvi, später noch die von Autoverkäufer Lämsä und einem halben Dutzend anderer Nordfinnen. In den frühen Morgenstunden wendete sich jedoch das Spielglück, und der Kapitän zu Lande musste eine Seele nach der anderen abgeben. Dorfschmied Laamanen aus Parikkala ging dahin, auch Feldwebel d. R. Korvanen und die Hauswirtschaftslehrerin Taavitsainen, sogar der pensionierte Ingenieur Hautala. Mit Schlosser Häkkinen als Einsatz holte er sich Hautala zurück, aber nach einer guten Stunde hatte der verschlagene Rentiermann dem Kapitän fast alle Seelen abgenommen.
    Heikkinen bekam jedoch im letzten Moment ein gutes Blatt. Zu seinem verdeckten Pik-Ass zog er die Pik-Sechs, die Pik-Acht, die Pik-Neun… er setzte Onni Rel­ lonen ein, aber als Uula Lismanki mit Lämsä und der zuvor gewonnenen Aulikki Granstedt gegenhielt, erhöhte Heikkinen den Einsatz und schickte Oberst Kemppai­ nens Seele ins Feuer. Uula Lismanki hatte ein ungünstig wirkendes Blatt, ein Zehnerpaar und ein Ass, bevor sie die letzte Karte zogen. »Mich bluffst du nicht, Rentier­ beißer«, knurrte der Kapitän zu Lande, als er im seltsa­ men Licht der Nacht seine entscheidende Karte zog. Er bekam, was er brauchte, es war die Pik-Sieben! Damit hatte er einen Flush! Heikkinen setzte seine teuerste Seele, Helena Puusaari, ein und starrte seinen Gegen­ spieler mit Siegermiene an.
    Uula Lismanki bezahlte die Seele der Pädagogin un­ bekümmert, indem er Onni Rellonen nebst Tenho Utri­ ainen und Taisto Rääseikköinen auf den Tisch knallte, dazu noch zwei südfinnische Frauen, deren Seelen er nach Mitternacht gewonnen hatte.
    Dem Kapitän zu Lande waren die Seelen ausgegan­ gen, aber er war sich seines Sieges sicher. Er bat Uula, dass er seine eigene Seele opfern dürfte, die würde doch wohl Lismankis ganzem Einsatz entsprechen? Der Ren­
    tiermann reagierte beifällig auf das Angebot, die eigene Seele war natürlich die teuerste, es gab kein Spiel, in dem sie nicht reichen würde.
    Lismanki zog seine letzte Karte. Zu seiner Erschütte­ rung sah der Kapitän, dass es die Karo-Zehn war. Und die verdeckte Karte des Rentiermannes war die Pik-Zehn, es war die Schicksalskarte, die letzte eines Vie­ rers. Dieses Blatt war besser als Heikkinens Flush, alle Seelen waren über Uula Lismanki an die Hölle gefallen, als letzte des Kapitäns eigene Seele.
    Als der ganze Einsatz weg war, endete das Spiel. So geht es immer im Leben. Aber es war bereits Morgen: Der nächtliche Nebel wich, die Sonne ging hinter den Bergen auf, und fahles Licht fiel in den Park.
    Die Züricher Polizei, die Stadtreinigung und die Ge­ sundheitsbehörde erschienen mit ihren Fahrzeugen und Mannschaften im Park. Jene Drogensüchtigen, die sich noch auf den Beinen hielten, wurden barsch vom Ge­ lände verjagt, anschließend wurden die blutigen Sprit-zen samt dem übrigen in der Nacht entstandenen Müll in schwarze Plastiksäcke gefegt. Und zwei der armen Teufel, die über Nacht an den Drogen gestorben waren, wurden in den Leichenwagen getragen.
    Der siegreiche Spieler Uula Lismanki kochte über dem erlöschenden Feuer den Morgenkaffee und weckte die Frauen, damit sie Butterbrote zurechtmachten. Auch die Polizisten, die Reinigungsmänner und die Leute von der Gesundheitsbehörde, die mit vereinten Kräften den Park geleert und gesäubert hatten, wurden zum Frühstück eingeladen. Der Tag würde schön werden, meinten die Polizisten und lobten die delikaten, mit gesalzenen Maränen belegten Brote.
    30
    Die im Spiel um ihre Seelen gebrachten Anonymen Sterblichen bauten ihr Lager ab und trugen die Sachen zum Bus. Es folgte die letzte Etappe, die Fahrt in die Alpen.
    Nach einer knappen Stunde erreichten sie Luzern, ei-ne schöne alte Stadt, die an beiden Ufern des Flusses Reuß errichtet und
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