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Der wunderbare Massenselbstmord

Titel: Der wunderbare Massenselbstmord
Autoren: Arto Paasilinna
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von hohen Bergen umgeben war. Über die Reuß waren im vierzehnten Jahrhundert Holz­ brücken gebaut worden, verziert mit Fresken, die vom damaligen Leben erzählten. Die Anonymen Sterblichen schritten schweigend über die alten Brücken und blick­ ten nachdenklich in den türkisfarbenen schäumenden Wasserfall. Helena Puusaari sagte zum Oberst, ihr sei aufgefallen, dass die Gruppe immer stiller werde, je näher man den Alpen komme. Jeder denke über seine eigenen Probleme nach, der bald bevorstehende Massen­ tod lasse die Gesichter ernst werden.
    Auch der Oberst hatte die gedrückte Stimmung seiner Leute bemerkt. Aber die war wohl natürlich. Wer würde schon jubeln, wenn er die Welt bald verlassen muss.
    »Das ist es nicht. Ich wollte sagen, dass ziemlich viele inzwischen das Vorhaben bereuen. Ich bin mir selbst auch nicht mehr sicher, ob ich wirklich sterben will«, bekannte Helena Puusaari wehmütig. Sie sagte, dass sie
    aus dem Zusammenhalt während der Tour Lebensmut geschöpft habe.
    Der Oberst bat sie, an die Zeiten in Toijala zu denken. Fand sie die jetzt auf einmal herrlich?
    Helena Puusaari sagte nichts dazu. Aus Luzern betrachtet, schien ihr ihr Leben in Toijala weit weg. Die damaligen Probleme kamen ihr jetzt völlig unbedeutend vor.
    Korpela rief die Gruppenmitglieder zusammen. »Los geht’s, ihr Sterblichen!«
    Durch die Panoramafenster des Busses betrachteten die Reisenden die schweizerische Dorflandschaft – steile Hänge mit grünen Weiden, auf denen Kühe mit stämmi­ gen Beinen umhertrabten, schneebedeckte Bergspitzen, blauer Augusthimmel. Dann stieß die Autobahn in einen Tunnel, der länger als zehn Kilometer unter den Alpen hindurchführte. Korpela fuhr wie der Teufel, es schien, als hätte er es besonders eilig, sein Leben zu beenden. Die Straße stieg an, sie wurde schmal und kurvenreich. Je höher sie kamen, desto herrlicher wurde die Land­ schaft. Schließlich befanden sie sich in einer Höhe, in der es keine Weiden und Wälder mehr gab.
    Plötzlich kam der Bus an eine Sperrschranke, die von zwei Soldaten bewacht wurde. Sie erklärten, dass mo­ mentan auf dem Furkapass, der höchstgelegenen Stelle der Gegend, ein Schneesturm wüte. Man könne keine Touristen hindurchlassen. Korpela bat den Oberst, den beiden Soldaten zu übersetzen, dass er trotz des Verbo­ tes gedenke, zum Furkapass und danach so weit zu fahren, wie er Lust habe. Er habe ein neues Fahrzeug, und er sei fähig, im Gebirge zu fahren, ob es stürme oder schneie. Der Oberst übersetzte.
    Die Soldaten sagten, dass in einer halben Stunde die ganze Straße gesperrt werde, der Wetterbericht sei ent­ sprechend und die Bestimmungen ebenfalls. Die Schranke wurde widerwillig geöffnet. Korpelas Todes-Linien brauste davon, immer höher hinauf ins Gebirge. Den Reisenden kam es vor, als wären sie auf dem Weg in den Himmel. Und das waren sie auch, vorausgesetzt, dass jemand von ihnen nach dem Tod dort Aufnahme fände.
    Endlich erreichte der schwere Bus mit seinen stillen Passagieren den Furkapass, auf dem ein paar sturmge­ peitschte, kalte Gebäude standen. In einem von ihnen befand sich ein ödes Café und darin saßen nur zwei Gäste, zwei alte, faltige Amerikanerinnen. Sie klagten, dass sie an der höchsten Stelle der Gebirgsstraße wegen des Schneesturms festsaßen. Die Soldaten hatten ihnen verboten, weiterzufahren.
    Bald darauf kamen zwei atemlose Soldaten herein, um mit Korpela, dem Fahrer des Busses, zu sprechen. Sie stellten ihn lautstark zur Rede, warum er das Risiko eingegangen und bis hier heraufgefahren war. Die Stra­ ße sollte doch abgesperrt sein, hatten ihn die Wachpo­ sten unten nicht an der Weiterfahrt gehindert? Der Oberst erklärte, dass sie auf eigene Verantwortung heraufgekommen seien, und weil sie nun mal da seien, sei es überflüssig, sie anzubrüllen. Die Soldaten berich­ teten, dass die Sturmstärke achtzehn Meter pro Sekun­ de betrug. Die Reisenden glaubten es, sie hatten sich draußen kaum aufrecht halten können, der Sturm hatte ihnen die Gesichter gepeitscht, auch war es eisig kalt, es herrschten bestimmt zehn Grad Frost. Sie befanden sich sehr hoch oben, mehr als 2400 Meter über dem Meeres­ spiegel. Ins Tal konnte man bei diesem Unwetter nicht mehr sehen. Hier oben entsprang der Fluss Rhone, die Wassermassen stürzten mit solchem Tosen vom Glet­ scher in die Schlucht, dass nicht einmal das Sturmge­ heul das Geräusch übertönte.
    Sie seien am Ziel, erklärte Korpela. Er kommandierte die
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