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Der Wolfstrank

Der Wolfstrank

Titel: Der Wolfstrank Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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als er nickte.
    »Wer?«, hauchte ich.
    Die Antwort las ich von seinen Lippen ab. Es war Lucy. Irgendwie stimmte mich das zufrieden. Wir konnten uns auch den Schrei erklären, der auch so menschlich hell geklungen hatte. Das musste Lucy gewesen sein. Sie war so nahe herangekommen, dass wir sie hörten. Konnte es sein, dass sie mit sich selbst sprach?
    Ja, da wehte schon ein Flüstern über den dicken Baumstamm hinweg. Aber es war uns unmöglich, auch nur ein Wort davon zu verstehen. Ich rechnete auch damit, dass uns Lucy witterte, denn Werwölfe waren darauf programmiert, Menschen so rasch wie möglich zu finden, um dann brutal zuzuschlagen.
    Sekunden später war es vorbei!
    Keine Geräusche mehr. Kein Atem oder Keuchen. Die Stille des Waldes sackte wieder über uns.
    Suko hatte sich vorhin erhoben, jetzt wollte ich schauen, wie weit das Mädchen schon gekommen war. Geräuschlos konnte ich mich nicht aufrichten, ein Schaben der Kleidung war immer zu hören, doch das Risiko musste ich eingehen.
    Ich schob mich so weit in die Höhe, um über die obere Seite des Stammes peilen zu können.
    Da sah ich sie.
    Und ich hatte Glück.
    Lucy hatte sich zur Seite gedreht, so dass ich schräg gegen ihren Rücken und ihr Profil schauen konnte. Sie stand irgendwie verloren auf der Stelle. Ich kannte das Märchen Sterntaler. Da war auch ein Kind in den Wald gegangen, weil es nicht mehr ein noch aus wusste. Ein gütiges Schicksal war ihm zu Hilfe gekommen und hatte aus den Sternen pures Gold auf die Erde regnen lassen.
    Die Haare des jungen Mädchens waren blond und lockig. Ein hübscher Teenager, der zum Glück noch nicht völlig in den Zustand der Verwandlung hineingeraten war, aber schon geheult hatte wie ein Wolf.
    Ich war noch mit meinen Gedanken beschäftigt, als durch den Körper des Mädchens ein Ruck ging. Ohne weitere Vorwarnung drehte es sich um.
    Es sah mich.
    Ich sah Lucy, und einer von uns beiden musste jetzt handeln.
    Die Person war ich!
    Bevor Lucy die Flucht ergreifen konnte, war ich auf den dicken Baumstamm geklettert und stieß mich ab...
    ***
    Der Sprung würde nicht lange dauern, nur kam er mir etwas länger vor als gewöhnlich. Lucy sah mich, und ihr Gesicht zeigte plötzlich das Erschrecken. Sie brauchte eine Sekunde, um alles begreifen zu können, dann drehte sie sich um und wollte flüchten.
    Ich sprang sie an.
    Zwar landete ich auf dem weichen Waldboden, aber die Wucht des Sprunges trieb mich nach vom, so dass ich gegen den Rücken des Mädchens prallte.
    Den Stoß konnte Lucy nicht ausgleichen. Ich hörte sie noch erschreckt schreien, dann geriet sie ins Taumeln, stolperte über die eigenen Beine und fiel nach vom.
    Sie stürzte dorthin, wo das Gras hoch wuchs und der Boden weich war. Zudem landete sie noch in einem Wirrwarr von alten Zweigen, die sich unter ihrem Gewicht bogen wie Gummi.
    Sie hatte den ersten Schreck rasch überwunden und wollte auf allen Vieren wegkrabbeln, doch dagegen hatte ich etwas. Ich ließ sie noch halb hochkommen, dann griff ich mit beiden Händen in die Kleidung an ihrem Rücken und schleuderte sie herum.
    Lucy gab sich nicht geschlagen. Sie fauchte mich an, und das war kein menschlicher Laut. Sie bewegte ihren Kopf heftig vor und zurück. Sie trat nach mir, erwischte die Schienbeine aber nicht voll und streifte mich nur, aber auch das reichte mir aus. Dabei versuchte sie auch, sich loszureißen. Sie zerrte, sie trampelte, sie stemmte sich ab, aber sie rutschte auch immer wieder aus.
    Dann war Suko bei mir und ihr. Er packte sie von hinten und presste ihre Arme seitlich gegen den Körper. Gegen diesen Griff kam Lucy nicht an.
    Bei dieser Umarmung musste sie sich fühlen wie ein Mensch, der in einer Zwangsjacke steckt. Ich atmete kurz durch, trat einen Schritt zurück und fragte dann: »Lucy King?«
    Ihr Gesicht zuckte, dann spie sie wütend aus. Fast hätte sie mich getroffen. Ich schüttelte nur den Kopf.
    »Du solltest dich zusammenreißen, Lucy. Gewisse Dinge lassen sich eben nicht ändern.«
    Sie gab mir keine Antwort und schaute mich nur böse an. Jetzt sah ich, dass sie tatsächlich nicht nur Mensch war, sondern auch noch etwas anderes in ihr steckte.
    Es waren ihre Augen!
    Im herrschenden Zwielicht waren sie besonders gut zu erkennen. Das waren nicht die Augen eines Menschen, denn darin leuchtete ein kaltes Licht. Es war so stark, dass es bereits die Pupillen verdeckte, die ich nur bei genauem Hinsehen sah.
    Suko hatte das Mädchen gut im Griff. Es wehrte sich auch nicht

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