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Der Wolf

Der Wolf

Titel: Der Wolf
Autoren: Erik Zimen
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aus einem Gehege entkommen – also kein wilder Wolf
    – doch der Jäger, der sie erschoss, wusste davon nichts. Er
nahm an, es handle sich um einen wildernden Hund, als
er sie, angeblich in Notwehr, aus nächster Nähe tötete.
    Diese Geschichte zeigt deutlich, dass eine echte Wiederkehr des Wolfes nach Deutschland sehr schwer möglich
sein wird, solange das Jagdrecht den Jägern die Vollmacht
zum Abschuss wildernder Hunde einräumt. Dieses spätfeudale Recht ist ohnehin in der heutigen Zeit ein Anachronismus. Wer heute noch zur Hatz auf den Wolf bläst
(oder auf jeden Hund, der außer Sichtweite eines dazugehörigen Menschen durch den Wald läuft), hat nicht mehr
die öffentliche Meinung auf seiner Seite, auch wenn er sich
um seine »Beschützerpflichten« gegenüber Mensch und
Wild bemüht.
    Viele Menschen verbinden mit der Wiederkehr des Wolfes eine große Hoffnung: Ist das Comeback nicht ein Zeichen, ein Symbol dafür, dass sich die geschundene Natur
wieder regenerieren kann? Ausdruck dieser Hoffnung war
wohl auch die Wahl des Wolfes zum Tier des Jahres 2003.
    Comeback ist natürlich nicht gleich Comeback. Die Wiederkehr eines verschollen oder ausgestorben geglaubten
Sandlaufkäfers oder eines Schmetterlings ist eine Sache.
Die Rückkehr einer Legende, einer wehrhaften noch dazu,
eine ganz andere. Wolf macht – immer noch – Angst.
    Ängste, die durchaus nachvollziehbar sind, stellt der Wolf
doch mit seiner langen Schnauze und seinen vielen weißen
Zähnen geradezu den Prototyp des Raubtieres dar, das in
uns archaische Ängste auslöst, die einst, in unserer vormenschlichen Vergangenheit sehr real waren. Als wir klein
und wehrlos in der offenen Savanne lebten und uns vor
Raubtieren schützen mussten, sind diese Ängste entstanden und bis heute erhalten geblieben. Die Angst im dunklen Wald ist wohl so etwas wie ururalter Erbteil aus frühmenschlicher Zeit. Nichts zu sehen, keinen Überblick zu
haben, lässt befürchten, nicht der Jäger, sondern möglicherweise selbst das Opfer zu sein.
    Vor allem Raubtiere, die aus der Dunkelheit kommen,
lösen (Ur-)Ängste aus. Neben dem Wolf, der im tiefen Wald
lebt, wäre da auch noch der Hai, der aus den dunklen Tiefen des Meeres kommt oder das Krokodil, das im trüben
Wasser liegt und uns ohne Vorwarnung angreifen und pakken kann. Den kuscheligen Bär hingegen, der uns mit seinen runden und lieblichen Formen, mit seinem Kindchenschema eher anrührt, legen wir unseren Kindern als Teddybär nachts in den Arm, damit sie ruhig und behütet
einschlafen sollen. Dabei ist der Bär, objektiv betrachtet,
um ein Vielfaches gefährlicher als der Wolf. Mit Wölfen
konnte der Mensch durchaus koexistieren. Das mag erst
einmal verblüffend klingen.
    Um meine These zu verdeutlichen, darf ich um Teilnahme an einem kurzen historischen Streifzug auf Wolfsspuren bitten.
Das negative Wolfsbild
    Die Konkurrenz zwischen Mensch und Wolf (Jagd auf
gleiche Beute) ist alt. Schon aus der Zeit Karls des Großen,
also des frühen Mittelalters, kennen wir die ersten systematischen Wolfsverfolgungen, die mit zunehmender Waldrodung – mehr und mehr Menschensiedlungen grenzten
hart an den Wolfslebensraum – immer heftiger wurden.
Aber damals kam es ganz sicher nicht zu regelrechten Feldzügen gegen die Rudel. Die (Beute-)Konkurrenz fördert
zwar keine Freundschaft, hat sie offensichtlich aber auch
nicht immer verhindert. Das wird deutlich, wenn man
noch ein paar hundert Generationen weiter zurückblickt.
Vor fünfzehntausend Jahren wurde aus gezähmten Wölfen der beste aller Freunde des Menschen, der Hund.
    Zur kompromisslosen Abneigung geriet die Konkurrenz
erst, als der Ex-Jäger und -Sammler sich Schaf und Ziege
und bald auch Schwein, Rind und Pferd zulegte. Für Wölfe
war diese lahme Beute ein willkommenes »Zubrot«. Doch
die Menschen rüsteten sich mit Stöcken aus, um die Wölfe
von ihren Herden fern zu halten, bauten Pferche, züchteten wehrhafte Hunde, legten Feuer : Solange es genügend
Wild im Wald gab, hielten sich die Wölfe alles in allem an
diese Warnungen und mieden Mensch, Hund und Haustier. So blieb die Koexistenz der beiden Konkurrenten –
wenn auch nicht mit Sympathie behaftet – viele tausend
Jahre weiter bestehen.
    Die wirkliche Feindschaft begann spät, als der Mensch
(genauer gesagt: besondere Individuen der Gattung Mensch !)
seinen Interessensbereich ausweitete und auch das Wild im
Wald für sich allein in Anspruch nahm – und das mit aller
Härte. Die Rede ist nicht
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