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Der Wissenschaftswahn

Der Wissenschaftswahn

Titel: Der Wissenschaftswahn
Autoren: Rupert Sheldrake
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Wissenschaftler, der schläft und nur aufwachen kann, wenn alle gesellschaftlichen und kulturellen Bedingungen aus dem Weg geräumt sind. [43]

    Für alle, die an das »wissenschaftliche Weltbild« glauben, kommt es nur darauf an, der Öffentlichkeit durch Bildung und die Medien zu mehr wissenschaftlichem Durchblick zu verhelfen.
    Seit dem neunzehnten Jahrhundert wird der Materialismus mit wirklich durchschlagendem Erfolg propagiert. Millionen von Menschen sind zu diesem »wissenschaftlichen« Weltbild bekehrt worden, auch wenn sie von Wissenschaft eigentlich wenig Ahnung haben. Sie sind gleichsam Gläubige der Kirche der Wissenschaft – des Szientismus–, und die Wissenschaftler stellen darin die Priester. Der prominente Atheist Ricky Gervais äußerte sich zu dieser Haltung 2010 im
Wall Street Journal
. Es war das Jahr, in dem das Magazin
Time
ihn auf die Liste der einhundert einflussreichsten Persönlichkeiten der Welt setzte. Gervais ist Entertainer, nicht Wissenschaftler oder origineller Denker. Er leiht sich aber die Autorität der Wissenschaft zur Untermauerung seines Atheismus aus:

    Wissenschaft sucht die Wahrheit. Sie zieht nichts vor. Koste es, was es wolle, sie kommt den Dingen auf die Spur. Wissenschaft ist bescheiden. Sie weiß, was sie weiß, und sie weiß, was sie nicht weiß. Sie leitet ihre Schlussfolgerungen und Überzeugungen von harten Beweisen ab. Sie sorgt dafür, dass die Beweise ständig aktualisiert werden, und überarbeitet gegebenenfalls ihre Schlussfolgerungen. Es wirft sie nicht aus der Bahn, wenn neue Fakten auftauchen. Sie macht sich den gesamten Wissensschatz zu eigen. Sie klammert sich nicht an mittelalterliche Praktiken, nur weil sie Tradition sind. [44]

    Das ist vor dem Hintergrund der Geschichte und Soziologie der Wissenschaft ein hoffnungslos naives Bild. Wissenschaftler sind darin als aufgeschlossene Wahrheitssucher dargestellt – nichts davon, dass sie um Etats und Prestige rangeln, dem Druck ihrer Kollegen ausgesetzt sind, Vorurteilen und Tabus unterliegen. Doch so naiv es sein mag, ich möchte dieses Ideal des freien Forschens ernst nehmen. Dieses Buch ist ein Experiment, bei dem ich diese Ideale auf die Wissenschaft selbst anwenden möchte. Ich möchte Annahmen in Fragen verkehren und so herausfinden, was die Wissenschaft wirklich weiß und nicht weiß. Ich möchte die zehn Kernanschauungen des Materialismus im Licht harter Beweise und neuer Entdeckungen betrachten. Und ich unterstelle, dass es echte Wissenschaftler nicht aus der Bahn werfen wird, wenn neue Fakten auftauchen; dass sie nicht am materialistischen Weltbild festhalten werden, nur weil es Tradition hat.
    Ich tue es, weil der Geist des Forschens die Wissenschaft immer wieder von unnötigen inneren oder äußeren Beschränkungen befreit hat. Ich bin überzeugt, dass die Naturwissenschaften bei all ihren Erfolgen von überholten Glaubenssätzen behindert werden.

[home]
    1 Ist die Natur mechanisch?
    Nicht-Naturwissenschaftler können sich oft nur über die Versicherung vieler Naturwissenschaftler wundern, Tiere und Pflanzen seien Maschinen und auch Menschen eigentlich Roboter, von computerähnlichen Gehirnen mit genetisch programmierter Software gesteuert. Irgendwie scheint die Annahme näherzuliegen, dass wir lebende Organismen sind und die Pflanzen und Tiere auch. Organismen regulieren sich selbst. Sie finden selbst ihre Form, sie erhalten sich selbst, sie haben ihre eigenen Bestrebungen und Ziele. Maschinen werden dagegen von einem externen Bewusstsein erdacht, ein Maschinenbauer setzt ihre Teile zusammen, sie haben keine eigenen Absichten und Ziele.
    Die moderne Naturwissenschaft begann mit der Ablehnung dieser älteren organischen Sicht des Universums. Von da an stand die Maschinenmetapher im Zentrum des naturwissenschaftlichen Denkens, und das hatte weitreichende Folgen. Einerseits hatte es etwas ungemein Befreiendes. Ein ganz neues Denken wurde möglich, das zur Erfindung von Maschinen anregte und die Entwicklung der Technik in Gang setzte. In diesem Kapitel möchte ich die Geschichte dieses Denkens nachzeichnen und aufzeigen, was passiert, wenn wir es in Frage stellen.
    Vor dem siebzehnten Jahrhundert verstand es sich für die allermeisten Menschen von selbst, dass die Erde wie auch das gesamte Universum so etwas wie ein Organismus ist. Im europäischen Mittelalter und der Renaissance war die Natur etwas Lebendiges. Es wurde auch in klaren Worten ausgesprochen, zum Beispiel von Leonardo da Vinci ( 1452
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