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Der Winterschmied

Der Winterschmied

Titel: Der Winterschmied
Autoren: Terry Pratchett
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bewaffnet) in den Keller hinuntergegangen und hatte nur Kartoffel- und Karottenhaufen vorgefunden. Und eine Maus, die sie aufmerksam beobachtete.
    Tiffany fürchtete sich nicht besonders. Zum einen existierte der Dämon bestimmt gar nicht, es sei denn, er verstand es gut, sich als Kartoffel zu tarnen. Und zum anderen sah Fräulein Verrat zwar schlimm aus, hörte sich unangenehm an und roch wie ein alter, verschlossener Kleiderschrank, aber sie schien kein schlechter Mensch zu sein.
    Eine Hexe musste sich auf den Ersten Blick und die Zweiten Gedanken verlassen: auf den Ersten Blick, um zu erkennen, was wirklich da war, und die Zweiten Gedanken, um die Ersten Gedanken zu beobachten und zu kontrollieren, ob sie richtig dachten. Dann gab es da noch die Dritten Gedanken, die nie erwähnt wurden und über die Tiffany deshalb nicht sprach. Sie waren seltsam, schienen für sich  allein zu denken und machten sich nicht oft bemerkbar. Jetzt sagten sie ihr jedoch, dass Fräulein Verrat irgendein Geheimnis hatte.
    Und dann stieß Tiffany eines Tages beim Staubwischen den Schädel namens Enochi um...
    ... und plötzlich wusste sie Dinge über Fräulein Verrat, die diese bestimmt lieber geheim gehalten hätte.
    Als sie an diesem Abend Eintopf aßen (mit schwarzen Bohnen), sagte Fräulein Verrat: »Wind kommt auf. Wir müssen bald los. In einer solchen Nacht möchte ich nicht mit dem Besen über die Bäume aufsteigen. Es könnten sich seltsame Wesen herumtreiben.«
    »Wir gehen aus?«, fragte Tiffany. Sie gingen abends nie aus; das war der Grund, weshalb ihr die Abende wie hundert Jahre vorkamen.
    »Allerdings. In dieser Nacht tanzen sie.«
    »Wer?«
    »Die Raben werden nicht sehen können, und die Eule wird durcheinander geraten«, fuhr Fräulein Verrat fort. »Deshalb muss ich deine Augen benutzen.«
    »Wer tanzt denn, Fräulein Verrat?«, fragte Tiffany. Sie tanzte gern, aber in dieser Gegend schien niemand diese Vorliebe zu teilen.
    »Es ist nicht weit, aber ein Unwetter zieht auf.«
    Das war es also: Fräulein Verrat wollte ihr keine Auskunft geben. Aber es klang interessant. Außerdem war sie neugierig auf Wesen, die Fräulein Verrat für seltsam hielt.
    All das bedeutete natürlich, dass Fräulein Verrat ihren spitzen Hut aufsetzte, und das verabscheute Tiffany. Sie würde sich vor die alte Hexe stellen und sie ansehen müssen, dabei würde sie ein sonderbares Prickeln in den Augen spüren, wenn Fräulein Verrat sie als Spiegel benutzte.
    Als sie mit dem Abendessen fertig waren, heulte der Wind bereits wie ein großes, dunkles Tier im Wald. Er riss Tiffany die Tür aus der Hand, als sie sie öffnete, fauchte durchs Zimmer und ließ die Fäden im Webstuhl summen. »Willst du wirklich da raus, Fräulein Verrat?«, fragte Tiffany und versuchte, die Tür wieder zuzudrücken.
    »Untersteh dich! Ich muss dem Tanz unbedingt beiwohnen ! Ich habe ihn noch nie verpasst!« Fräulein Verrat wirkte nervös und gereizt. »Wir müssen los! Und du ziehst dir etwas Schwarzes an.«
    »Fräulein Verrat, du weißt doch, dass ich kein Schwarz trage«, sagte Tiffany.
    »Diese Nacht ist eine Nacht für Schwarz. Du wirst meinen zweitbesten Mantel anziehen.«
    Das sagte sie mit solch hexischer Bestimmtheit, als käme ihr gar nicht in den Sinn, dass ihr jemand widersprechen könnte. Sie war 113 Jahre alt und hatte jede Menge Erfahrung. Tiffany verzichtete auf weitere Einwände.
    Es ist nicht so, dass ich etwas gegen Schwarz hätte, dachte sie, als sie den zweitbesten Mantel holte. Aber es passt nicht zu mir. Wenn die Leute sagen, dass Hexen Schwarz tragen, so meinen sie, dass alte Frauen Schwarz tragen. Nun ja, wenigstens muss ich nichts Rosarotes anziehen oder so...
    Anschließend wickelte sie Fräulein Verrats Uhr in eine Decke, woraufhin aus dem Klonkklank ein Klonkklank wurde. Es kam nicht infrage, sie zurückzulassen. Fräulein Verrat nahm ihre Uhr überallhin mit.
    Während Tiffany sich fertig machte, zog Fräulein Verrat die Uhr auf, wobei ein schreckliches, knirschendes Geräusch erklang. Sie zog sie dauernd auf, manchmal mitten in einer Verhandlung, vor all den entsetzten Leuten im Zimmer.
    Es regnete noch nicht, aber als sie aufbrachen, war die Luft  voller dünner Zweige und fliegender Blätter. Fräulein Verrat nahm im Damensitz auf dem Besen Platz und klammerte sich regelrecht an ihm fest, während Tiffany vorausging und ihn an einem Stück Wäscheleine hinter sich herzog.
    Die Abenddämmerung glühte noch immer rot, und ein konvexer
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