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Der Winterschmied

Der Winterschmied

Titel: Der Winterschmied
Autoren: Terry Pratchett
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erhielt, und so etwas sagen wie: »Oooh, das wäre doch nicht nötig gewesen.«
    »Ich habe dir etwas mitgebracht«, sagte Tiffany, während sie den großen schwarzen Kessel aufs Feuer setzte. »Niemand hat dich gebeten, mir Geschenke zu bringen«, erwiderte Oma streng.
    »Ja, mag sein«, sagte Tiffany und beließ es dabei.
    Sie hörte, wie Oma hinter ihr den Deckel des Korbs hob. Er enthielt ein Kätzchen.
    »Ihre Mutter ist Pinky, die Katze von Witwe Kabel«, sagte Tiffany, um die Stille zu füllen.
    »Das wäre nicht nötig gewesen«, knurrte Oma Wetterwachs.
    »Das war kein Problem.« Tiffany sah ins Feuer und lächelte.
    »Ich kann mich nicht mit Katzen abgeben.«
    »Sie wird dafür sorgen, dass sich hier weniger Mäuse herumtreiben«, sagte Tiffany und drehte sich noch immer nicht um.
    »Hier gibt es überhaupt keine Mäuse.«
    Die finden hier wohl nichts zu fressen, dachte Tiffany. Laut sagte sie: »Frau Ohrwurm hat sechs große schwarze Katzen.« Sie stellte sich das Kätzchen im Korb vor, wie es mit dem traurigen, erschrockenen Blick aller Kätzchen zu Oma aufsah. Du stellst mich auf die Probe und ich dich, dachte Tiffany.
    »Ich weiß gar nicht, was ich damit anfangen soll«, sagte Oma Wetterwachs. »Sie muss im Ziegenstall schlafen.« Die meisten Hexen hielten Ziegen.
    Das Kätzchen rieb sich an Omas Beinen und machte »Miep«.
    Als Tiffany später ging, verabschiedete Oma Wetterwachs sie an der Tür und sperrte das Kätzchen geflissentlich aus.
    Tiffany ging über die Lichtung zu der Stelle, wo sie Fräulein Verrats Besen festgebunden hatte.
    Aber sie stieg nicht auf, noch nicht. Sie stellte sich vor einen Stechpalmenbusch und wurde ganz still, bis sie nicht mehr vorhanden war, bis alles an ihr sagte: Ich bin nicht da.
    Jeder kann im Feuer und in den Wolken Bilder erkennen. Das dreht man einfach um. Man schaltet den Teil von sich selbst ab, der signalisiert, dass man da ist. Man löst sich auf. Dann fällt es Beobachtern schwer, einen zu sehen. Das Gesicht wird zu Blättern und Schatten, der Körper zum Teil eines Baums oder Busches. Das Hirn des Beobachters füllt die Lücken.
    Tiffany, die nun wie ein Teil von einem Stechpalmenbusch aussah, behielt die Tür im Auge. Wind kam auf, warm, aber lästig, schüttelte gelbe und rote Blätter vom Bergahorn und wirbelte sie über die Lichtung. Das Kätzchen versuchte, welche davon zu fangen, saß dann da und miaute leise und traurig. Gleich würde Oma Wetterwachs annehmen, dass Tiffany fort war, die Tür öffnen und...
    »Wasvergessen?«, ertönte Omas Stimme dicht an ihrem Ohr.
    Sie war der Busch.
    »Ah... sie ist sehr süß. Ich dachte, dass du sie vielleicht lieb gewinnst«, sagte Tiffany, aber sie dachte: Sie könnte hierher gelaufen sein, aber warum habe ich sie dann nicht gesehen? Kann man laufen und sich gleichzeitig verstecken?
    »Mach dir keine Gedanken um mich, Mädchen«, sagte die Hexe. »Kehr jetzt zu Fräulein Verrat zurück und richte ihr meine besten Grüße aus. Aber...« Die Stimme wurde ein wenig sanfter. »... du hast dich gut versteckt. Viele Leute hätten dich nicht gesehen. Ich habe kaum deine Haare wachsen gehört!«
    Als Tiffanys Besen die Lichtung verlassen und sich Oma Wetterwachs auch noch auf andere Weise vergewissert hatte, dass sie wirklich fort war, trat sie in ihre Hütte, ohne das Kätzchen eines Blickes zu würdigen.
    Nach einigen Minuten öffnete sich die Tür einen Spalt breit, aufgestoßen vielleicht vom Wind. Das Kätzchen lief hinein...
    Alle Hexen sind ein bisschen seltsam. Tiffany hatte sich so an das Seltsame gewöhnt, dass es ihr normal erschien. Man nehme nur Frau Grad, die zwei Körper hatte, einer davon imaginär. Oder Frau Pullunder, die Rasseregenwürmer züchtete und ihnen allen Namen gab. Nun, sie war eigentlich nicht seltsam, nur ein wenig anders, außerdem waren Regenwürmer recht interessant, auf eine grundsätzlich uninteressante Art und Weise. Und dann das alte Mütterchen Dismass, das an Anfällen zeitlicher Verwirrung litt, was bei einer Hexe sehr sonderbar sein kann. Ihr Mund bewegte sich nie synchron zu den Worten, und manchmal kamen ihre Schritte zehn Minuten vor ihr die Treppe herunter.
    Doch in Sachen Seltsamkeit schoss Fräulein Verrat eindeutig den Vogel ab. Und es war ein besonders großer
    Vogel, mit vielen bunten Federn.
    Wo soll man anfangen, wenn praktisch alles seltsam ist...
    Fräulein Eumenides Verrat war mit sechzig Jahren erblindet. Für die meisten Menschen wäre das ein Unglück
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