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Der Widersacher

Der Widersacher

Titel: Der Widersacher
Autoren: Michael Connelly
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während er vom Freeway auf den Sunset Boulevard bog und nach Westen weiterfuhr.
    Chu nutzte Boschs Auskunftsbereitschaft dazu, die Frage zu stellen, die ihm schon den ganzen Morgen auf der Zunge brannte.
    »Was war eigentlich mit Lieutenant Duvall, Harry?«, fragte er. »Willst du mir nicht langsam sagen, worum es da ging?«
    Bosch spielte den Begriffsstutzigen.
    »Worum soll es wann gegangen sein?«
    »Jetzt tu doch nicht so, Harry. Als sie in ihrem Büro allein mit dir geredet hat, was hat sie da gesagt? Sie will mich loswerden, oder? Ich bin eigentlich auch nie richtig warmgeworden mit ihr.«
    Bosch konnte einfach nicht anders. Das Glas seines Partners war immer halb leer, und deshalb ließ er sich keine Gelegenheit entgehen, ihn aufzuziehen.
    »Sie hat gesagt, sie will dich seitlich versetzen – also schon im Morddezernat behalten. Anscheinend werden demnächst im South Bureau ein paar Stellen frei, und sie will mal mit ihnen reden. Dich gegen jemand von da unten tauschen.«
    »Nein!«
    Chu war erst vor kurzem nach Pasadena gezogen. Von dort täglich zum South Bureau fahren zu müssen wäre ein Alptraum.
    »Und, was hast du ihr gesagt?«, fragte er. »Hast du wenigsten ein gutes Wort für mich eingelegt?«
    »Was hast du eigentlich gegen South, Mann? Ich habe ihr gesagt, in zwei Jahren hast du dich dort unten so richtig schön eingelebt. Woanders würde das fünf Jahre dauern.«
    »Harry!«
    Bosch begann zu lachen. Es half ihm, die Spannung abzubauen. Das bevorstehende Treffen mit Irving lag ihm schwer im Magen. Es ließ sich nicht umgehen, und er wusste nicht, wie er sich verhalten sollte.
    »Verarscht du mich etwa?«, quiekte Chu und drehte sich ganz zu Bosch herum. »Sag bloß, du verarscht mich?«
    »Jetzt reg dich erst mal wieder ab, Chu. Sie hat mir nur gesagt, dass mein Verlängerungsantrag durchgegangen ist. Du darfst dich noch drei Jahre und drei Monate länger mit mir rumärgern, mehr nicht.«
    »Ach so … aber, ist doch super, oder?«
    »Sicher. Klar.«
    Chu war zu jung, um sich über Dinge wie einen Verlängerungsantrag Gedanken zu machen. Fast zehn Jahre zuvor hatte Bosch seine Pensionsansprüche geltend gemacht und in einer unbedachten Entscheidung den Dienst quittiert. Nach zwei Jahren als Zivilist war er jedoch im Zuge des sogenannten DROP , des Deferred Retirement Option Plan des LAPD , in den Polizeidienst zurückgekehrt. Diese Regelung diente dem Zweck, erfahrene Ermittler weiter zu beschäftigen und ihnen zu ermöglichen, das zu tun, was sie am besten konnten. In Boschs Fall war das, in Mordfällen zu ermitteln. Er war ein Runderneuerter mit einem Sieben-Jahres-Vertrag. Nicht alle beim LAPD waren über diese Regelung glücklich, vor allem nicht die Detectives der Außenstellen, die auf eine prestigeträchtige Stelle bei der renommierten Robbery-Homicide Division in Downtown spekulierten.
    Eine DROP -Wiedereinstellung in den Polizeidienst konnte einmalig um drei bis fünf Jahre verlängert werden. Danach war die Pensionierung unumgänglich. Einen solchen Verlängerungsantrag hatte Bosch ein Jahr zuvor gestellt, und wie es sich für eine Bürokratie, die etwas auf sich hielt, gehörte, war ihm erst jetzt mitgeteilt worden, dass sein Dienstvertrag verlängert worden war. Für ihn war es eine Zeit angespannten Wartens gewesen, denn er wusste, dass er jederzeit in den Ruhestand geschickt werden konnte, wenn die Polizeikommission seinem Antrag nicht stattgab. Es war auf jeden Fall eine erfreuliche Nachricht, auch wenn jetzt ganz deutlich abzusehen war, wie lange er noch eine Dienstmarke tragen würde. Deshalb erfüllte ihn die gute Nachricht auch mit einer gewissen Wehmut. Wenn er die offizielle Benachrichtigung der Kommission erhielt, würde darin das genaue Datum seines letzten Tags als Polizist stehen. Und ob er es wollte oder nicht, um nichts anderes kreisten jetzt seine Gedanken. Seine Zukunft hatte Grenzen. Vielleicht gehörte er ja auch zu denen, für die das Glas immer halb leer war.
    Danach ließ ihn Chu mit seinen Fragen in Ruhe, und Bosch versuchte, nicht an den DROP zu denken. Stattdessen dachte er an Irving, als er in Richtung Westen fuhr. Der Stadtrat war über vierzig Jahre im Polizeidienst gewesen, hatte es aber nie an die Spitze des LAPD geschafft. Nachdem er seine ganze Karriere darauf zugeschnitten hatte, sich für das Amt des Polizeichefs in Stellung zu bringen, war es ihm in einem politischen Wirbelsturm weggeschnappt worden. Und ein paar Jahre danach war er – unter
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