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Der Widersacher

Der Widersacher

Titel: Der Widersacher
Autoren: Michael Connelly
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ich«, sagte sie. »Das ist, was wir alle möchten. Zum Wohl der Polizei.«
    Diese vier Wörter …
zum Wohl der Polizei.
Sie liefen nie auf etwas anderes hinaus als auf High Jingo. Bosch nickte, und dann wandte er sich von ihr ab und blickte den Hügel hinunter. Er wollte Kiz Rider nicht mehr ansehen.
    »Jetzt stell dich nicht so an, Harry«, fuhr sie fort. »Irving ist schon so gut wie erledigt. Verhilf ihm jetzt nicht zu dem, was er braucht, um wieder auf die Beine zu kommen und uns erneut das Leben schwer zu machen: der Polizei zu schaden, wo er kann.«
    Bosch beugte sich über das Holzgeländer und schaute senkrecht nach unten in das Gebüsch unter der aufgeständerten Terrasse.
    »Schon komisch«, sagte er. »Allmählich stellt sich heraus, dass bei dieser Geschichte Irving derjenige zu sein scheint, der die Lage richtig eingeschätzt hat, der wahrscheinlich sogar die Wahrheit gesagt hat.«
    »Was soll das jetzt bitte wieder heißen?«
    »Ich konnte mir die ganze Zeit nicht erklären, warum er in dieser Sache auf schonungslose Aufklärung gedrungen hat, obwohl er wusste, dass alles auf ihn zurückfallen würde und irgendwann herauskäme, dass er an irgendwelchen krummen Touren beteiligt war.«
    »Harry, das braucht uns jetzt nicht mehr zu interessieren. Der Fall ist geklärt.«
    »Die Antwort ist, dass er deshalb auf schonungslose Aufklärung gedrungen hat, weil er seine Finger nicht im Spiel hatte. Er hatte nichts mit der ganzen Sache zu tun.«
    Bosch fasste in die Tasche seiner schmutzigen Anzugjacke und zog die gefaltete Fotokopie der telefonischen Nachricht heraus, die Irving ihm am Morgen gegeben hatte. Er hatte sie seitdem mit sich herumgetragen. Ohne Rider anzusehen, reichte er ihr das Blatt Papier und wartete, während sie es entfaltete und studierte.
    »Was ist das?«, fragte sie.
    »Der Beweis für Irvings Unschuld.«
    »Es ist ein Blatt Papier, Harry. Es könnte problemlos gefälscht sein. Es beweist überhaupt nichts.«
    »Außer dass du und ich und der Chief, dass wir alle wissen, dass es echt ist. Dass es stimmt.«
    »Wenn du das glaubst, meinetwegen. Aber es besagt absolut nichts.«
    Sie faltete das Blatt Papier und gab es Bosch zurück. Der steckte es wieder in seine Jackentasche.
    »Du hast mich benutzt, Kiz. Um Irving fertigzumachen. Du hast den Tod seines Sohns für deine Zwecke benutzt. Du hast die Dinge, die ich herausgefunden habe, benutzt. Und alles nur, um eine Falschmeldung in der Zeitung zu lancieren, die ihm möglicherweise das Genick bricht.«
    Sie gab ihm lange keine Antwort, und als sie schließlich sprach, war es ein offizielles Statement. Kein Eingeständnis von irgendetwas.
    »Dreißig Tage, Harry. Irving ist der Polizei seit langem ein Dorn im Auge. Wenn wir ihn loswerden können, können wir eine größere und bessere Polizei aufbauen. Und das wiederum wird die Stadt sicherer und besser machen.«
    Bosch richtete sich auf und schaute wieder auf die Stadt hinab, die sich unter ihm ausbreitete. Die Rottöne verfärbten sich ins Violette. Es wurde dunkel.
    »Klar, warum auch nicht?«, sagte er. »Aber wenn du wie er werden musst, um ihn loszuwerden, wo ist dann der Unterschied?«
    Rider schlug mit den Handflächen leicht auf das Geländer, das Zeichen, dass sie genug gesagt hatte und das Gespräch für sie beendet war.
    »Ich muss los, Harry. Zurück in die Stadt.«
    »Klar.«
    »Danke für das Wasser.«
    »Klar.«
    Er hörte ihre Schritte auf den Holzbohlen, als sie zur Schiebetür ging.
    »Dann war also das, was du kürzlich zu mir gesagt hast, nur eine hohle Phrase, Kiz?« Er hatte ihr immer noch den Rücken zugekehrt. »Nichts als Show?«
    Die Schritte verstummten, aber sie sagte nichts.
    »Als ich dich angerufen und dir von Hardy erzählt habe, hast du von der verdienstvollen Arbeit gesprochen, die wir leisten. Du hast gesagt: ›Deshalb tun wir das.‹ War das nur ein Spruch, Kiz?«
    Es dauerte eine Weile, bis sie antwortete.
    Bosch wusste, dass sie ihn ansah und darauf wartete, dass er sich umdrehte und sie anschaute. Aber er brachte es nicht über sich.
    »Nein«, sagte sie schließlich. »Das war nicht nur ein Spruch. Es war die Wahrheit. Und eines Tages wirst du vielleicht zu schätzen lernen, dass ich tue, was ich tun muss, damit du tun kannst, was du tun musst.«
    Sie wartete auf seine Antwort, aber er sagte nichts.
    »Gute Nacht, Harry.«
    Er hörte, wie die Tür auf- und dann zugeschoben wurde. Sie war weg.
    Bosch blickte weiter auf das schwindende Licht und wartete
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